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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bargmann
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wollte hinaustreten, da prallte sie im Durchgang beinahe mit Thar zusammen. Seine Wangen waren vom Laufen gerötet. Keuchend stützte er sich am Türrahmen ab und versuchte, seinen Atem wieder unter Kontrolle zu bekommen.
    »Sayuri«, wiederholte er zwischen zwei tiefen Atemzügen. »Wo ist Marje?«
    Sayuri zwang sich, die Tränen aus den Augen zu blinzeln, und zuckte nur hilflos mit den Schultern.
    »Ist sie mit Milan unterwegs? Weißt du, wo sie sind? Sayuri, verdammt!« Thar blickte unruhig auf die Straße. »Lass mich rein«, bat er dann und zog hinter ihnen die Tür zu.
    Sofort war der Raum wieder in nächtliche Dunkelheit getaucht. Shio erhob sich aus den Kerzen, die nur wenig Licht spendeten, und flog zu ihnen.
    Thar überfiel sie mit Fragen, aber Sayuri konnte nur den Kopf schütteln. Sie wusste nicht, wann Marje zurück sein wollte, noch wohin sie gegangen oder wo Milan war.
    Thar ließ sich gegen die geschlossene Tür sinken. »Gestern sind mehrere Personen in den Palast eingedrungen. Es soll ein Attentat auf Miro gegeben haben.«
    Sayuri hielt unwillkürlich die Luft an.
    »Miro hat es überlebt«, fuhr Thar trocken fort. »Aber die Rebellen werden in einer halben Stunde hingerichtet.«
    Sayuri riss die Augen auf. Ihr Mund formte ein Nein, aber kein Ton kam über ihre Lippen. Panisch schüttelte sie den Kopf und wich vor Thar zurück.
    Thar schienen die gleichen Gedanken zu quälen. Er ließ den Kopf gegen die angezogenen Knie sinken. »Verflucht!«, murmelte er vor sich hin.
    Sayuri schüttelte erneut den Kopf. Das durfte einfach nicht wahr sein. Bittend streckte sie ihm ihre rechte Hand entgegen.
    Verständnislos sah Thar zu ihr auf. »Was willst du?«, fragte er.
    Sayuri hielt ihm nochmals bittend die Hand hin.
    Er ergriff sie und zog sich mit ihrer Hilfe auf die Beine.
    Einen Augenblick lang überlegte Sayuri, dann nickte sie entschlossen und machte die Tür auf. Ohne Thars Hand loszulassen, trat sie auf die Straße hinaus. »Komm«, riefen ihre Augen, als sie Thar hinter sich herzog. Zielstrebig suchte sie sich ihren Weg durch die Straßen.
    Nach ein paar Minuten verstand Thar, wohin ihr Weg sie führen würde. Widerstrebend blieb er stehen und hielt Sayuri fest. »Nein«, protestierte er. »Da geh ich nicht hin.«
    Fragend sah Sayuri ihn an.
    »Ich kann dabei nicht auch noch zusehen!«, wehrte er ab. »Ich kann doch nicht zusehen, wie man meine Freunde umbringen lässt!«
    Sayuri wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Wie sollte sie Thar nur erklären, dass sie die Gewissheit brauchte? Dass sie erfahren musste, wen man wirklich gefasst hatte? Und wenn es Marje und Milan waren – dann wollte sie für sie da sein – ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sterben mussten.
    Thar schüttelte entschieden den Kopf. »Ohne mich«, sagte er und riss sich von Sayuri los.
    Hilflos sah sie ihm nach. Sie konnte ihn nicht aufhalten, ihm nicht hinterherrufen. Dann gab sie sich einen Ruck und rannte weiter. Sie musste sich beeilen. Auf ihrem Weg musste sie ein Tor passieren. Ungeduldig drückte sie dem Soldaten die Münzen in die Hand. Der Mann zählte sie umständlich, bevor er sie hindurchließ.
    Viele Menschen strömten zu dem großen Platz, der als Hinrichtungsstätte diente und der von den Bewohnern der Stadt »Der die Welt verschlingt« genannt wurde. Sayuri konnte den Namen nur zu gut verstehen. Hier war Shanu ein breiter Wasserstrom, der mit rasender Geschwindigkeit auf den Platz zuschoss. Wie ein gieriges Ungetüm riss er alles mit sich, was sich nicht von den wilden Fluten fernhielt. Zwei niedrige Brücken überspannten den Fluss. Jetzt tummelten sich dort wahre Menschenmassen, ebenso wie am Rande des Schlunds, wo der Shanu in die Tiefe hinabfiel, ohne jemals wieder ans Tageslicht zu treten. Das Erdreich, das dort den Fluss umgab, bestand aus verkrustetem Sand, der gleich den Zacken einer Krone ausgespült war. Auf den dadurch entstandenen Vorsprüngen wuchsen ein paar struppige Grasbüschel und eine Schlingpflanze rankte sich entlang des Wasserfalls in den Schlund hinab.
    Mit einem Gefühl von Übelkeit drängte Sayuri sich an den Menschen vorbei in die erste Reihe. Endlich dort angekommen, wäre sie beinahe mit einem Soldaten zusammengestoßen, der die Menge in Schach hielt. Er und seine Kameraden hatten sich wie eine Wand vor den Schaulustigen aufgebaut, sodass er Sayuri alle Sicht nahm.
    Hastig drehte sie sich um und tauchte wieder in die Menge ein. Sie musste in eines der Häuser, um von einem

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