Sayuri
Rebellin und meiner Mutter geht es gut«, antwortete er gereizt.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Miro und sein Blick wanderte zu Rajar zurück.
»Ich kann meine Worte beweisen«, sagte Rajar. »Er hat einer Rebellin geholfen. Bitte, Eure Hoheit, lasst überprüfen, ob die Dolche und der Ring der Attentäter fehlen!« Er richtete seinen Finger auf Kiyoshi. »Ihr findet sie im Haus seiner Mutter.«
Verdammt, Rajar hatte ihn tatsächlich beobachtet! Kiyoshi versuchte verzweifelt, sich sein Entsetzen nicht anmerken zu lassen. Aber was ihn noch viel schlimmer schmerzte, war der Verrat seines Freundes. Warum tat Rajar das? Er wusste, was mit Kiyoshi geschehen würde! Das hier war nicht etwa ein unerlaubter Ausflug in die Stadt. Hier ging es um das Attentat auf den Kaiserbruder!
Miro drehte sich Kiyoshi zu. Er musterte seinen Neffen, die Augen zu schmalen Schlitzen verengt.
»Geh, Rajar«, murmelte Miro dann. »Geh mir aus den Augen.«
»Aber Eure Hoheit …«, begann Rajar zu protestieren, doch Miro machte eine Geste, die keine Widerrede duldete.
Widerwillig setzte sich Rajar in Bewegung.
Kiyoshi spürte, wie seine Hände anfingen zu zittern, und er ballte sie zu Fäusten.
»Er hat recht mit dem, was er sagte.« Miro stellte keine Frage, es war eine Feststellung. »Ich gehe davon aus, das Mädchen ist entkommen?«
Kiyoshi nickte stumm.
In Miros Augen blitzte es gefährlich auf. Kiyoshi wusste, was nun folgen würde. Miro war als gnadenloser Herrscher bekannt und er würde keine Ausnahme machen, nicht einmal bei seinem Neffen.
»Du hast deine Pflicht missachtet«, sagte der Kaiserbruder. Jedes seiner Worte klang schwer wie Blei.
Kiyoshi hob seinen Blick und sah ihm direkt in die Augen.
Er hatte nicht vor, vor seinem Onkel auf die Knie zu fallen und um Gnade zu bitten. Wenigstens sollte er die Gründe kennen, warum er so gehandelt hatte, wer das Mädchen überhaupt war.
»Sie war nicht an dem Attentat beteiligt. Hätte sie wie die anderen hingerichtet werden sollen?«, fragte er, kühler als er beabsichtigt hatte.
In Miros Miene regte sich kein Muskel. »So, wie es angemessen ist«, antwortete er.
Kiyoshi schüttelte den Kopf. »Das ist nicht richtig«, widersprach er. »Wen wundert, dass es zu einer Tat wie heute Nacht gekommen ist? Hast du die Stimmung heute Morgen nicht gespürt? Das Volk versteht nicht, was wir tun. In ihren Augen bringen wir ihnen nur Leid und Unglück.« Er hielt Miros Blick stand. »Und das tun wir auch! Wir verurteilen Unschuldige – obwohl wir es besser wissen! Hast du dich nie gefragt, ob es wirklich richtig ist, wie du handelst?«
Miro schwieg. Er schwieg so lange, dass Kiyoshi schon glaubte, keine Antwort mehr zu erhalten. Was ging in seinem Onkel vor sich? Warum wurde er nicht wütend? Warum rief er nicht nach seinen Wachen?
»Ich habe mich das oft gefragt, Kiyoshi«, erwiderte sein Onkel schließlich. Seine Stimme klang nachdenklich. »Jeden Tag frage ich mich das.«
Kiyoshi starrte ihn verblüfft an. Er hatte alles erwartet, nur nicht diese Antwort. Stand wirklich Miro vor ihm, der unerbittliche Herrscher, der heute Morgen die Attentäter hatte hinrichten lassen, ohne ihnen Gelegenheit zu geben, sich vor einem Gericht zu verantworten?
Miro atmete tief ein und aus und sah zum Himmel auf. Noch nie hatte Kiyoshi seinen Onkel so verletzlich erlebt. »Weißt du, gestern Nacht habe ich dem Tod ins Auge geschaut«, sagte Miro jetzt. »Und da ist mir klar geworden, dass ich alles tun würde, wenn es einen anderen Weg gäbe, der uns ans Ziel brächte. Und, bei Turu, ich habe es versucht, doch meine Hoffnung ist enttäuscht worden.«
»Hast du?«, fragte Kiyoshi verwirrt nach.
Miro seufzte. »Ja. Das habe ich. Aber das ist eine lange Geschichte, die nicht hierhergehört, zumal sie schlecht endet.«
»Bitte sag es mir.«
Miro schien einen Moment zu überlegen, doch dann hob er den Kopf. »Ich habe meine Hoffnung auf die Quelle des Wissens gesetzt«, sagte er.
Jetzt verstand Kiyoshi gar nichts mehr. Die Quelle des Wissens war eine der Legenden der Stadt – ein Mythos, mehr nicht. Warum brachte sein Onkel sie ausgerechnet jetzt ins Spiel?
»Es heißt, wer aus ihr schöpfte, könne alles erfahren, was er begehrt.«
»Aber die Quelle ist ein Märchen, das man Kindern erzählt!«
Miro wiegte seinen Kopf. »Das will uns die Geschichte glauben machen«, sagte er und zögerte, ehe er weitersprach. »Nun ist es sowieso zu spät«, murmelte er und ließ seinen Blick über den
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