Sayuri
Palastgarten schweifen. »Es existiert eine Karte, Kiyoshi. Sie ist uralt – und ihre Existenz wurde von den Wiljar von alters her geheim gehalten. Bis die Lage … nun, bis die Lage zu bedrohlich wurde.«
Kiyoshi spürte, wie ein aufgeregtes Kribbeln in ihm aufstieg. »Aber dann ist doch etwas Wahres dran an der Quelle!«, platzte er heraus. »Und du hältst den Beweis dafür in den Händen! Wohin führt die Karte?«
Miro blickte ihn traurig an und schüttelte den Kopf. »Sie führt nirgendwohin. Meine Späher sind unverrichteter Dinge zurückgekommen. Die Quelle gibt es nicht. Die Karte ist völlig nutzlos. Du hast recht – sie ist nichts weiter als ein Märchen. Kinderglaube.«
»Du meinst, du hast die Quelle nicht gefunden«, stellte Kiyoshi fest.
Miro entgegnete nichts darauf. Regungslos sah er seinen Erben an und Kiyoshi meinte, in seinen Augen eine stumme Entschuldigung lesen zu können.
Eine Entschuldigung wofür?
Plötzlich straffte Miro seine Schultern. Jetzt sah er wieder so aus wie immer – der Moment der Schwäche war vorbei.
»Nun Kiyoshi«, sagte er knapp. »Genug davon. Was dein Handeln von heute Nacht anbelangt: Wir wollen die Sache vergessen. Ich werde dafür Sorge tragen, dass Rajar seinen Mund hält.«
Kiyoshi starrte seinen Onkel ungläubig an – obwohl er wusste, dass sein Neffe einer Rebellin geholfen hatte zu fliehen, ließ er ihn nicht in den Kerker werfen? In Kiyoshis Kopf schwirrte es. Das war alles zu viel. Die Quelle – die Karte – und jetzt das? Womit war Miro beschäftigt?
»Geh in deine Gemächer und melde dich nach Tshanils Ruhe bei mir. Es gibt viel zu besprechen«, sagte Miro und wandte sich zum Gehen. »Der Wasserspiegel ist gefährlich tief gesunken. Es müssen neue Maßnahmen getroffen werden.«
Kiyoshi nickte. Es war klüger, den Anweisungen seines Onkels jetzt Folge zu leisten. Er war gegen alle Erwartung mit weniger als einem blauen Auge davongekommen.
Und doch konnte er nicht anders. So viele Fragen wirbelten durch seinen Kopf und er wusste, dass er die eine noch stellen musste, auch wenn er damit viel riskierte. »Hast du jemals von jemandem namens Silla gehört?«, platzte er heraus.
Miros Augen verengten sich zu Schlitzen. Für einen winzigen Augenblick wirkte er sprachlos – dann machte er eine zornige Handbewegung. »Woher hast du diesen Namen?«
»Mutter hat davon gesprochen«, sagte Kiyoshi.
Miro schnaubte. »Du solltest es inzwischen besser wissen und nichts auf das verrückte Gerede deiner Mutter geben«, herrschte er ihn an. »Und jetzt Schluss mit dieser Fragerei!«
Er drehte sich zum Gehen, doch dann hielt er noch einmal inne. Er suchte Kiyoshis Blick und hielt ihn für einen Moment so fest, dass Kiyoshi unwillkürlich zusammenzuckte. »Vergiss nie, wer du bist, Kiyoshi«, sagte der Kaiserbruder und seine Stimme jagte Kiyoshi einen kalten Schauer über den Rücken. »Und vergiss vor allem nicht, wer ich bin.«
Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als Kiyoshi zum Haus seiner Mutter zurückkehrte. Auf dem Weg war er Rajar begegnet, der ihm hasserfüllt hinterherstarrte, aber Kiyoshi hatte nicht angehalten. Er wusste, dass Rajar ihm das, was heute passiert war, nie verzeihen würde, und er ahnte, dass nichts seinen Freund von dieser Meinung abbringen würde.
Kiyoshis Mutter saß auf der Wiese vor dem Eingang zwischen den Blumen und den üppig wuchernden Pflanzen.
Mit einem verträumten Lächeln flocht sie einen Kranz.
Kiyoshi kniete sich vor sie und lehnte für einen Moment seine Stirn an die ihre. Wie viel hätte er darum gegeben, wenn er mit ihr hätte sprechen können! Wie viele Fragen hatte er an sie, die er nie würde stellen können!
Sie strich ihm über die Wange, bevor sie sich wieder an ihre Arbeit machte. »Nettes Mädchen«, murmelte sie leise. »Pass auf sie auf.« Mit einem Lachen setzte sie ihm den fertigen Kranz auf den Kopf. »Mein Prinz«, murmelte sie leise, streckte sich auf der Wiese aus und blinzelte träumerisch in die Sonne.
Kiyoshi griff nach dem Kranz und drehte ihn unschlüssig zwischen den Fingern.
»Mutter, wer ist Silla?«
Seine Mutter sah ihn mit einem leeren Blick an, dann fing sie an zu kichern. »Ist sie hier?« Sie sah sich suchend im Garten um. »Spielt sie wieder Verstecken?« Sie schüttelte den Kopf und beugte sich vor. »Ich kann sie nicht entdecken. Du?«
Kiyoshi musterte sie mit gerunzelter Stirn. An wen schien sich seine Mutter plötzlich zu erinnern? Sie hatte diesen Namen noch nie zuvor
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