SB 122 – Gefangene der SOL
dass er nicht mehr der kleine, unbedeutende Importkontrolleur war, sondern jemand, der im Mittelpunkt kosmischen Interesses stand.
»Natürlich wird die Hanse mir früher oder später eine saftige Entschädigung zahlen müssen«, schloss er. »Schließlich kann mich niemand so einfach über lange Zeit hinweg einsperren.«
»Warum lassen sie dich nicht frei, wenn sie nichts finden können, was ihren Verdacht bestätigt?«, fragte Amby Törn.
Tosen lächelte. »Weil ich ein Agent von Seth-Apophis bin«, erwiderte er. »Das gibt mir eine Sonderstellung.«
Amby Törn lächelte kaum merklich.
Nein, sie begriff nicht. In ihren Augen hatte Bruke Tosen keinen Grund, stolz zu sein. Da sie jedoch erkannte, dass er sich und seine augenblickliche Situation anders sah, als sie das tat, nickte sie, als sei ihr alles klar. Amby zweifelte nicht daran, dass Bruke früher oder später entlassen werden und nach Jarvith-Jarv zurückkehren würde. Dann würde er wieder jener schlichte und pflichtbewusste Mann sein, den sie liebte. Sicherlich würde er noch lange gern davon reden, wer alles zu ihm gekommen war, und er würde stolz auf diese Begegnungen sein. Aber er würde sich nicht mehr für etwas Besonderes halten, weil eine feindliche Macht ihn zu ihrem Agenten gemacht hatte.
»Ich werde mit den Ärzten reden«, sagte Amby Törn. »Sie sollen dich endlich aus der Klinik entlassen.«
Tosen runzelte die Stirn. Er überlegte kurz und schüttelte dann energisch den Kopf. »Nein«, widersprach er. »Noch nicht. Sie sollen mich noch ein wenig hierbehalten. Je länger sie mich unberechtigt festhalten, desto höher wird die Entschädigung, die sie mir zahlen müssen.«
Dabei dachte er gar nicht in erster Linie an das kleine Vermögen, das er sich erhoffte, sondern an die Sonderstellung, die er einnahm. Er wunderte sich darüber, dass er vor wenigen Augenblicken mit dem Gedanken gespielt hatte, aus der Klinik zu fliehen. Er wollte bleiben. Vielleicht erhielt er die Chance, weitere Mutanten kennenzulernen.
Zu dieser Zeit ließ sich Icho Tolot in seinem Gefängnis in der GELOMAR auf die Laufarme sinken. Er wandelte seine Körperstruktur molekular um. Aus dem Wesen aus Fleisch und Blut wurde ein Geschöpf mit einer Körpermasse, die härter als Terkonitstahl war.
Die Blicke des Haluters richteten sich auf die Panzertür. Das Raumschiff entfernte sich vom Depot, und das war Grund genug, die Initiative zu ergreifen.
Aus den Geräuschen, die das Schiff erfüllten, hatte sich Tolot mittlerweile ein Bild über den inneren Aufbau des Raumers gemacht. Er glaubte zu wissen, wohin er sich wenden musste, sobald er die Tür aufgesprengt hatte, um schnell die Zentrale zu erreichen.
Icho Tolot duckte sich tief, stemmte die Füße gegen die Wand hinter ihm und stieß sich ab. Wie ein Geschoss raste er quer durch den Tresorraum. Füße und Hände krallten sich in den Stahlboden und rissen Furchen hinein, dann knallte er gegen das massive Schott, wobei er den Kopf als Rammbock einsetzte.
Der Schädel schob sich mehr als einen Zentimeter in den Stahl hinein und verdichtete das Material. Dadurch schluckte die Tür einen Teil seiner Bewegungsenergie – jedoch nicht genug. Tolots Hände und Füße rammten über den Boden und trieben den Körper weiter voran. Unter der enormen Wucht platzten die Stahlstäbe, mit denen das Schott in der Wand verankert war. Krachend flog der massive Stahlflügel aus den Halterungen und stürzte um.
Der Haluter stürmte auf einen Gang hinaus. Augenblicklich wandte er sich nach links und raste auf die Zentrale zu.
Er brüllte ohrenbetäubend laut, als er eine Frau bemerkte, die ihm den Weg versperrte. Die Frau sprang entsetzt zur Seite, stürzte über einen Reinigungsroboter und blieb wie gelähmt liegen. Icho Tolot rannte an ihr vorbei. Seine Hände und Füße schlugen krachend auf den Boden und hinterließen zentimetertiefe Scharten.
Sekunden darauf erreichte der Koloss das Schott der Zentrale, und er dachte nicht daran, es umständlich öffnen. Tolot stürmte einfach hindurch. Er verspürte nicht den geringsten Widerstand, als die etliche Zentimeter dicke Platte zerbarst. Dabei hatte er seine Geschwindigkeit erheblich verringert. Er wollte nicht, dass Bruchstücke durch die Zentrale wirbelten und jemanden verletzten oder wichtige Geräte zerstörten.
Er war immerhin noch so schnell, dass er bis zum Kommandantenplatz vorstieß und erst dort stehen blieb.
Kommandant Gardener, Chefingenieur Fall und der
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