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Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Titel: Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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enthielt. Stattdessen war es mit technischer Ausrüstung vollgepackt.
    »Was ist das?«, fragte Miranda.
    Gennadi pfiff leise. »Eine Fabrik.« Sie standen vor einem industrietauglichen 3-D-Drucker, der leistungsfähig genug war, um elektronische Komponenten genauso wie Schrauben, Drähte und jedes andere Gebilde zu produzieren, das sich als dreidimensionale Bilddatei abspeichern ließ. Es gab auch einen 3-D-Scanner mit Laser-, Terahertz- und Röntgen-Scanköpfen. Gennadi hatte bereits ähnliche Geräte benutzt, um in Schmuggelware nach Isotopen zu suchen. Damit ließ sich nahezu alles digitalisieren, von Mirandas Ohrschmuck bis zu Unterhaltungselektronik, und der Drucker konnte anhand der digitalen Datei eine fast perfekte Kopie davon herstellen. Es war nur ein Scan nötig, damit der Drucker elektrische Geräte auf dem Niveau eines Toasters produzierte, aber mit zusätzlichen Plänen von Open-Source-Schaltkreisen ließ sich alles Mögliche duplizieren, von Handys bis drahtlosen Routern – und ganz offensichtlich funktionierende Brillen zur Erzeugung einer erweiterten Realität.
    Fraction betrachtete das Gerät mit leuchtenden Augen. »Dieses Baby kann sogar sich selbst reproduzieren, indem es seine eigenen Bestandteile kopiert. Das komplette System ist Open-Source.«
    Miranda war offensichtlich verwirrt. » Rivet Couture hat überhaupt keinen Bedarf für so etwas«, sagte sie.
    Fraction nickte. »Aber mit Oversatch ist das eine ganz andere Sache.« Er schlenderte zum Restaurant zurück, und die beiden folgten ihm stirnrunzelnd.
    »Wussten Sie«, sagte Fraction plötzlich, »was römische Provinzen als Erstes machten, wenn sie rebellieren wollten? Sie haben ihre eigenen Münzen geprägt.« Als Gennadi eine Augenbraue hochzog, grinste Fraction und fuhr fort: »Oversatch hat sein eigenes Geld, aber viel wichtiger ist, dass es eine eigene Landwirtschaft und eine eigene Industrie besitzt. Rivet Couture ist natürlich einer der Handelspartner von Oversatch – dort werden Kleidung und Accessoires für die Spieler hergestellt, die teures Rohmaterial für die Drucker und Arbeitskraft für die Farmen zur Verfügung stellen. Für die Spieler ist das alles Teil des Abenteuers.«
    Miranda schüttelte den Kopf. »Aber ich verstehe immer noch nicht, warum. Warum existiert Oversatch überhaupt? Wollen Sie andeuten, dass es irgendeine Art von Rebellion ist?«
    Sie verließen das Restaurant und machten sich auf den Rückweg zum Hotel. Fraction schwieg längere Zeit. Normalerweise nahm er irgendwelche Posen ein, vergrub die Hände in den Hosentaschen oder schwenkte beim Gehen die Arme. Aber jetzt wirkte sein Gang roboterhaft steif, und Gennadi kam auf die Idee, dass Danail Gawrilows Puppenspieler vielleicht vorübergehend abwesend war oder seiner Marionette zumindest keine Aufmerksamkeit widmete.
    Nach einigen Minuten hob der Cyranoid wieder den Kopf und sagte: »Stellen Sie sich vor, es würde nur eine einzige Sprache geben. Sie denken ausschließlich in dieser Sprache, und deshalb glauben Sie, die Namen für Dinge wären die einzig möglichen Namen dafür. Sie würden glauben, dass es nur eine mögliche Art und Weise gibt, die Welt zu organisieren – nur ein mögliches ›es‹. Oder … nehmen Sie eine Stadt.« Er breitete die Arme aus, um mit einer ausladenden Geste den kühlen Abend und die Muster erhellter Fenster in den schwarzen Gebäudefassaden einzuschließen. »Im Internet haben wir diese riesigen, dynamischen Netzwerke von Beziehungen, die sich ständig verändern. Mega-Unternehmen werden an einem Tag gegründet und aufgelöst, Menschen werden zu Stars und sind schon nach einer Woche wieder verblasst. Aber innerhalb dieses Chaos gibt es Strudel und Ströme, in denen sich stabile Strukturen bilden. Sie werden als Attraktoren bezeichnet. Es sind Energieknoten, aber unsere Sprache hat kein Wort, mit dem wir sie bezeichnen könnten. Wir brauchen ein neues Wort, eine neue Art von ›das‹ oder ›es‹.
    Wenn man einen Zeitrafferfilm von einer kompletten Stadt drehten würde, mit einem Jahr pro Sekunde beispielsweise, würde man sehen, dass sie sich auf die gleiche Weise entwickelt. Eine Stadt ist ein Strudel von Beziehungen, aber sie verändern sich so langsam, dass wir als Menschen keine Kontrolle darüber haben, wie wir von den Strömungen und Wirbeln erfasst werden.
    Und das Gleiche gilt erst recht für ein ganzes Land. Eine Zivilisation. Städte und Länder sind eingefrorene Mengen von Beziehungen, als wäre die

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