Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
gespielt hätte. Seinetwegen konnten die Grünfreaks in den Wäldern zelten, bis der gesamte Waldbestand des Gebirgszugs verheizt war. Er hatte keine Holzkonzessionen und hatte keine Anteile an der Zugangskontrolle.
Crown war viel mehr an den Innovationen interessiert, die aus diesem irregeleiteten Haufen von Anarchisten erwuchsen. Nachdem die verrückte amerikanische Gemeinschaft sich von der vierzig Jahre währenden Nebenvorstellung der Software-Industrie losgerissen hatte und zur guten alten Hardware zurückgekehrt war – ganz zu schweigen von guter neuer Biotechnologie -, hatten sich die Spielregeln geändert. Und zwar gerade noch rechtzeitig.
Bei der Fallstudie ging es um Benzin aus der Retorte. Mehrere kalifornische Firmenneugründungen hatten in den späten 2000er Jahren ölproduzierende Mikroben entwickelt. Die Ölschocks nach dem Scheitern Amerikas im Nahen Osten sorgten für den nötigen wirtschaftlichen Anstoß, um diese Entwicklungen voranzutreiben, aber ohne Abschaltgene waren die Bakterien in den Taschen zu vieler Laborassistenten hinausgeschmuggelt worden, weil sie genug davon hatten, für eine Gallone Benzin sechs Dollar zu bezahlen.
Nach einem weiteren Jahrzehnt war jeder mit einer wissenschaftlichen Highschool-Ausbildung und der Begabung zum Bierbrauen ins Ölproduktionsgeschäft eingestiegen. Und niemand hatte irgendwelches Geld mit der größten Revolution verdient, seit Colonel Edwin Drake vor dem Bürgerkrieg begonnen hatte, in Pennsylvania Löcher in Farmland zu bohren.
Wenn diese Idioten nicht clever genug waren, aus ihrem intellektuellen Eigentum Kapital zu schlagen, würde er es eben für sie tun. Die Welt brauchte diese stillen Innovationen. Zumindest wenn die Menschen vorhatten, die Lichter noch ein wenig länger brennen zu lassen. Strandbungalows an der Beaufortsee waren ideal für Sonnenanbeter mit genug Geld – für Leute wie Crown.
Derzeit verhungerten ein paar Milliarden Menschen. Die Grünfreaks sollten nicht alles für sich selbst behalten. Ihr intellektuelles Eigentum war viel zu wertvoll, um es für Hippieträume in Rauch aufgehen zu lassen. Es wäre besser, wenn jemand, der etwas Gutes daraus machen konnte, es in die Finger bekam.
Crown wurde sich bewusst, dass Streeter gesprochen hatte.
»Tut mir leid, Evelyn«, entschuldigte er sich. »Ich war für einen Moment in Gedanken.«
»Kohlenstoff, Sir.«
»Kohlenstoff?«
»Sie haben Kohlenstoffnanoröhren in Labormengen bezogen.«
»Nicht in Industriemengen?«, fragte er.
»Nein, Sir. Es sei denn, sie benötigen sie für eine sehr kleine Industrie.«
Diese Information ließ er sich durch den Kopf gehen. Wozu benötigten die Greenfreaks so geringe Mengen von Kohlenstoffnanoröhren?
Weil sie eine Methode gefunden hatten, in ihren Wäldern selber welche herzustellen. Mit einem Holzkohlemeiler oder einem ähnlichen Quatsch, der von einem hoch konzentrierten Hippie mit Nanomanipulatoren geschürt wurde.
»Für Vergleichstests, Streeter. Ich vermute, sie haben etwas Wichtiges ausgetüftelt.«
»Darf ich Ihnen zum genialen Timing des Projekts Lindgrün gratulieren?«
Crown lachte verbittert. »In den vergangenen fünf Jahren haben wir elf signifikante Innovationen in den Bereichen Produktionstechnik, Datenverwaltung, Distributionssysteme und geschlossene Rohstoffkreisläufe auf Cascadiopolis zurückführen können. Und das sind nur die Sachen, auf die wir gestoßen sind. Alle wurden als Open Source veröffentlicht. Sie wurden so weiträumig verbreitet, bevor man darauf aufmerksam wurde, dass jede Art von industrieller Verwertung völlig sinnlos gewesen wäre, selbst wenn jemand danach wasserdichte Lizenzrechte gehabt hätte. Offen gesagt hätte es mich mehr überrascht, wenn wir nicht auf irgendeine neue Initiative von ihnen gestoßen wären.«
Streeter beantwortete seinen Blick mit einem gepressten Lächeln. »Sehr gut, Sir.« Ihre Stimme hatte einen seltsamen Unterton.
»In der Tat sehr gut.« Er seufzte und tippte sich wieder gegen die Zähne, während er sich fragte, was ihr Sorgen bereiten mochte. Es wurde Zeit, das Thema zu wechseln. »Wie kommen Sie mit diesen Terminkontrakten voran?«
Cardoza erkennt ihre Chance, als Otis kurz vor Monduntergang von seinem Posten erlöst wird. Einer von Bashars Stellvertretern, den sie für sich »Holzkopf« getauft hat, tritt aus dem Schatten, gefolgt von einem Jungen, der sogar noch jünger und pickliger als Otis ist. Holzkopf brüllt die beiden ein paar Minuten lang an, dann
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