Scarpetta Factor
Telefonunterlagen feststellen ... «, begann O’Dell.
»Das Telefonat wurde mit einem Einweg-Tracfone geführt, das inzwischen verschwunden ist«, unterbrach Benton. »Agee hatte eine ganze Schublade voll mit leeren Tracfone-Verpackungen. Meiner Ansicht nach war das Interview mit Fahley gefälscht, und Lucy ist derselben Meinung. Allerdings bezweifle ich, dass Agee es bewusst auf eine Kündigung angelegt hat.«
»Möglicherweise aber unbewusst«, wandte Lanier ein.
»Das glaube ich auch.« Benton war von Warner Agees selbstzerstörerischen Neigungen überzeugt. »Ich denke, dass er gestern Nacht nicht zum ersten Mal mit dem Gedanken gespielt hat, sich umzubringen. Seine Eigentumswohnung in Washington, D. C., steht kurz vor der Zwangsversteigerung. Seine Kreditkarten sind abgelaufen. Er war finanziell auf andere angewiesen, ein Parasit, dem nichts geblieben war als seine Behinderung und seine eigenen Dämonen. Außerdem hatte er sich offenbar auf eine Sache eingelassen, die eine Nummer zu groß für ihn war. Wahrscheinlich ahnte er, dass man ihn früher oder später erwischen würde.«
»Wieder eine falsche Personalentscheidung«, wandte sich Lanier an alle, sah dabei aber Benton an. »Meinen Sie, dass Jean-Baptiste im Bilde ist?«
»Worüber?«, gab Benton ärgerlich zurück. »Dass ich durch Agees Schuld mein bisheriges Leben aufgeben musste und als Belohnung dafür meine Stelle beim FBI verloren habe? Immerhin haben die Chandonnes ihm den Vorwand dafür geliefert.«
Im Konferenzraum breitete sich Schweigen aus.
»Wenn Ihre Frage lautet, ob er Jean-Baptiste meiner Ansicht nach je begegnet ist und ihn persönlich kannte, ist die Antwort: Ja«, fuhr Benton fort. »Agee, der Möchtegernproftler, hätte alles darangesetzt, mit einem sogenannten Ungeheuer wie Jean-Baptiste Chandonne zu sprechen. Er wäre von ihm als Person fasziniert gewesen, auch ohne zu wissen, wer wirklich vor ihm stand, weil Jean-Baptiste einen falschen Namen benutzt hat. Jean-Baptistes Psychopathologie, das Böse, das er ausstrahlt, hätte ihn angezogen, vermutlich der größte gottverdammte Fehler, der Warner Agee je unterlaufen ist.«
»Offenbar«, meinte Lanier nach einer Pause. »Schließlich liegt er in diesem Moment im Leichenschauhaus.«
»Vom Hotel Elysée ist es ein Katzensprung zur Villa Starr in der Park Avenue.« Berger wirkte ganz ruhig. Zu ruhig. »Die Entfernung beträgt nur drei oder vier Häuserblocks, also ein Fußweg von fünf bis zehn Minuten.«
Stockman tippte Hotel Elysée und Starr-Villa ein; zwei neue Äste erschienen auf dem Bildschirm.
»Sie müssen auch Lucy Farinelli eintragen«, fügte Berger hinzu. »Und das heißt, dass mein Name ebenfalls in die Graphik gehört. Nicht nur, weil ich in Hannahs Fall ermittle und ihren Mann sowie Hap Judd verhört habe, sondern weil ich Lucy nahestehe. Außerdem war sie über zehn Jahre lang Klientin von Rupe Starr. Deshalb ist sie Hannah und Bobby sicher öfter über den Weg gelaufen.«
Benton hatte keine Ahnung, wovon sie redete und woher ihre Informationen stammten. Er sah sie fragend an, wollte das Thema jedoch nicht laut ansprechen. Ihr vielsagender Blick genügte ihm als Antwort. Nein, Lucy hatte sich ihr nicht anvertraut. Berger hatte es auf anderem Wege herausgefunden.
»Fotos«, fügte Berger hinzu. »In Leder gebundene Alben in Rupe Starrs Bibliothek. Aufnahmen von Partys und Abendgesellschaften mit Klienten, die im Laufe vieler Jahre entstanden sind. Lucys Foto ist in einem dieser Alben.«
»Wann hast du das erfahren?«, erkundigte sich Benton. »Vor drei Wochen.«
Wenn sie es schon so lange wusste, musste ihr eigenartiger Stimmungswandel andere Gründe haben. Anscheinend hatte Bonnell ihr am Telefon etwas Beunruhigendes mitgeteilt.
»1996 war sie zwanzig und noch auf dem College. In den anderen Alben habe ich keine Fotos von ihr mehr entdeckt, vermutlich weil sie nach ihrem Abschluss zum FBI gegangen ist und deshalb aus Sicherheitsgründen nur noch selten große Veranstaltungen und Feste besucht hat. Ganz bestimmt hätte sie nicht mehr zugelassen, dass jemand sie fotografiert«, fuhr Berger fort. »Wie allgemein bekannt, wurde Hannah von ihrem Ehemann Bobby als vermisst gemeldet, woraufhin wir ihn um Erlaubnis gebeten haben, persönliche Gegenstände und DNA-Proben im Haus in der Park Avenue sicherzustellen. Außerdem wollte ich ihn befragen.«
»Als sie verschwand, war er in Florida, richtig?«, erkundigte sich O’Dell.
»In der Nacht, als sie nicht aus
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