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Scarpetta Factor

Scarpetta Factor

Titel: Scarpetta Factor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Daniels Cornwell
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bekannt, ob es nicht noch eine andere Person gibt, die Zeuge derselben Szene wurde wie Harvey Fahley«, sagte Benton und warf Scarpetta einen Blick zu. Er hatte die Bemerkung ihr zuliebe gemacht. »Es wäre gar nicht gut, wenn dieser Zeuge sich, wie es heutzutage üblich ist, an die Medien wendet, anstatt die Polizei zu kontaktieren. Ich möchte nicht in der Nähe von CNN oder einem anderen Sender sein, wenn die Sache mit dem gelben Taxi erst einmal durchgesickert ist.«
    »Ich verstehe«, erwiderte Scarpetta. »Aber ganz gleich, ob ein solcher Zeuge existiert, befürchte ich, die Sache zu verschlimmern, wenn ich mich heute nicht blicken lasse. Es würde die Sensationsgier nur anheizen. CNN ist darüber informiert, dass ich Toni Darien oder Hannah Starr nicht erwähnen werde. Ich erörtere grundsätzlich keine laufenden Ermittlungen.«
    »Ich würde gar nicht erst hingehen.« Benton sah sie eindringlich an.
    »Es steht in meinem Vertrag, und ich hatte nie ein Problem damit«, entgegnete sie.
    »Ich stimme Kay zu. Sie soll sich einfach verhalten, als wäre nichts geschehen«, meinte Berger. »Wenn sie in letzter Minute absagt, liefert sie Carley Crispin nur Stoff für neue Mutmaßungen.«

7
    Dr. Warner Agee saß auf dem ungemachten Bett seiner kleinen, mit antiken Möbeln eingerichteten Suite. Er hatte die Vorhänge zugezogen, um sich vor neugierigen Blicken zu schützen.
    Sein Hotelzimmer war von anderen Gebäuden umgeben, deren Fenster auf gleicher Höhe lagen wie seines. Er dachte an seine Frau und daran, wie es gewesen war, sich eine neue Unterkunft suchen zu müssen. Es hatte ihn erschreckt, wie viele Wohnungen in der Innenstadt von Washington mit Fernrohren ausgestattet waren. Einige dienten dekorativen Zwecken, waren jedoch funktionstüchtig, andere gehörten offenbar Leuten, die das Spannen ernst nahmen. So war zum Beispiel ein Fernglas, Marke Orion, auf einem Stativ vor einem Fernsehsessel aufgebaut, allerdings nicht auf einen Fluss oder einen Park, sondern auf ein anderes Hochhaus gerichtet gewesen. Während der Makler die schöne Aussicht pries, konnte Agee direkt in die Wohnung gegenüber schauen, wo jemand bei geöffneten Vorhängen splitterfasernackt herumlief.
    Welchen anderen Zweck erfüllten Fernrohre und Ferngläser in dichtbesiedelten Großstädten wie Washington, D. C., oder auch hier in New York, als seine Mitmenschen voyeuristisch auszuspionieren? Ahnungslose Nachbarn, die sich auszogen, miteinander schliefen, sich stritten und prügelten, badeten oder auf dem Klo saßen. Die meisten Menschen glaubten, dass ihre Privatsphäre in ihrem eigenen Zuhause oder in einem Hotelzimmer sicher war. Aber Fehlanzeige! Sexualtäter, Einbrecher, Terroristen, der Staat – alles Leute, von denen man sich auf keinen Fall beobachten lassen wollte. Man musste dafür sorgen, dass sie einen weder belauschten noch mit Blicken verfolgten oder überhaupt zur Kenntnis nahmen. Denn wer nicht zu sehen und zu hören war, den konnte man auch nicht drankriegen. Überwachungskameras hingen in jeder Ecke. Man konnte die gefahrenen Strecken eines Autos nachvollziehen. Spionagekameras. Geräuschverstärker. Leute mit gespitzten Ohren, die ihre Mitmenschen belauerten, wenn sie am hilflosesten waren oder bereits am Boden lagen. Gerieten diese Informationen dann in die falschen Hände, konnte sich ein ganzes Leben über Nacht verändern. Wer das Spiel mitspielen wollte, musste deshalb zuschlagen, bevor die anderen es taten. Agee hielt Jalousien und Vorhänge stets geschlossen. Sogar tagsüber.
    »Wissen Sie, was das beste Sicherheitssystem ist? Jalousien.« Das war schon immer sein Wahlspruch gewesen.
    Wahrere Worte wurden nie gesagt, und genau das hatte er auch zu Carley Crispin gemeint, als sie sich bei einer von Rupe Starrs Dinnerpartys kennengelernt hatten. Damals war sie Pressesprecherin im Weißen Haus gewesen, während Agee als Berater in den verschiedensten Kreisen, nicht nur beim FBI, tätig war. Im Jahr 2000 war Carley eine richtige Granate, unverschämt attraktiv und mit flammend rotem Haar. Außerdem besaß sie einen scharfen Verstand und eine noch schärfere Zunge, solange sie nicht mit Reportern sprach und kein Blatt vor den Mund zu nehmen brauchte. Irgendwann waren die beiden in Rupe Starrs von seltenen Büchern strotzender Bibliothek gelandet und hatten in alten Bänden geblättert, in denen es um einige von Agees Lieblingsthemen ging: den fliegenden Ketzer Simon Magus und den fliegenden Heiligen Josef von

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