Scatterheart
an ihr vorbei. »Wie hast du dich mit den Wilden verständigt?«, fragte er, als hätte er sie nicht gehört. »War das sehr schwierig? Hast du ihr Lager gesehen?«
Hannah wusste nicht, ob sie in Tränen oder in Wut ausbrechen sollte.
»Was ist los mit dir?«, fragte sie.
Thomas wandte sich zu ihr um und blickte sie zum ersten Mal richtig an. Hannah erschrak, als sie in seine Augen sah. Statt des glitzernden grauen Meeres lag darin ein tiefer, düsterer Abgrund. Er schüttelte den Kopf.
»Es tut mir leid«, murmelte er, »ich weiß, dass du etwas anderes erwartet hast.«
Als plötzlich hinter ihm ein lautes Rascheln ertönte, fuhr er herum. Hannah folgte seinem Blick.
Beinahe blieb ihr das Herz stehen.
»Welch eine anrührende Szene«, blaffte James, schwang sich vom Pferd und trat zum Feuer.
Scatterhearts Tränen weichten die Erde ringsum auf und die Eichel, die sie weggeworfen hatte, keimte zu einem kleinen grünen Schössling. Dieser wurde größer und größer, er verankerte seine Wurzeln in der feuchten Erde und streckte seine Zweige zum Himmel. Bald war aus der Eichel eine große, mächtige Eiche geworden. Der Baum schlang seine Äste um die Mauern des Eisschlosses und riss sie nieder, sodass nur noch ein Haufen Eistrümmer übrig blieb.
James sah schmutzig und erschöpft aus, als wäre er viele Tage und Nächte geritten. Unter seinen Augen hingen dunkle Säcke und in dem harten weißen Licht wirkte seine Blässe kränklich. Seine Augen flackerten unstet und seine Hände zitterten.
»Wie hast du uns gefunden?«, fragte Hannah.
»Ich bin immer der Straße nach, bis ich auf die Arbeiter gestoßen bin«, antwortete James. »Die haben mir dann von dem Verrückten erzählt, der sich in den Bergenversteckt hält und jede Nacht ein Lagerfeuer anzündet.« Molly kroch zum Höhleneingang.
»Ein richtiges Familienidyll«, grinste James, »das Monster, die Ausreißerin und der Mörder.«
Thomas blickte James finster an.
Der lächelte giftig. »Oder ist sie die Mörderin und er der Ausreißer? Schwer zu sagen.«
»Was willst du, James?«, fragte Hannah.
James wandte sich Thomas zu. »Ich glaube, wir haben uns noch nicht vorgestellt. Sie sind Thomas Behr, Mörder, Deserteur und Flüchtiger. Ich bin Leutnant Belforte. Hannahs Ehemann.«
Thomas warf Hannah einen Blick zu und zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Das stimmt nicht«, sagte sie. »Oder besser, ich habe ihn zwar geheiratet, es aber zu dem Zeitpunkt nicht gewusst.« Thomas drehte sich wieder zu James um.
»Ich nehme meine Frau mit nach Hause«, sagte James und zog eine Pistole.
»Das wirst du nicht tun«, widersprach Hannah.
James beachtete sie nicht, sondern schaute weiterhin zu Thomas. »Ich habe eine Waffe für Sie mitgebracht, damit es ein fairer Kampf wird.« Er holte eine zweite Pistole hervor und warf sie Thomas vor die Füße. »Ich bin überzeugt, dass Sie sie wiedererkennen.«
Thomas biss die Zähne zusammen und schaute James bekümmert an.
»Ich werde nicht mit Ihnen kämpfen«, sagte er.
James grinste höhnisch. »Was, ein Feigling sind Sie auch?« Thomas zuckte gelassen die Achseln. »Vielleicht«, erwiderte er nur.
»Heb die Pistole auf!«
»Ich werde nicht mit Ihnen kämpfen.«
»Warum nicht?«, fragte James. »Ist sie das nicht wert?«
Thomas schwieg.
»Also gut«, sagte James, »komm, Hannah. Ich nehme dich jetzt mit.«
»Ich gehe mit dir nirgendwohin «, sagte Hannah. Sie sah Thomas an. »Nicht wahr?«
Er begegnete ihrem Blick. Hannah erinnerte sich daran, wie er vor ihrer Haustür in London gestanden hatte. Instinktiv machte sie einen Schritt auf ihn zu. Aber er schaute weg und sie blieb wie angewurzelt stehen.
»Du gehst besser mit ihm.« Seine Stimme schwankte leicht. Hannah hatte das Gefühl, die Erde würde sich unter ihren Füßen auftun.
»Das ist nicht dein Ernst«, stieß sie hervor.
»Hannah, komm, wir gehen nach Hause«, drängte James. Er sah zu Molly hinüber. »Ich verspreche dir, wenn du mit mir kommst, dann kümmere ich mich auch um das Kind. Wir könnten sie adoptieren.«
»Nein!«, schrie Molly. »Wir bleiben hier bei Mr Bär!«
James ballte die Fäuste. »Du kommst jetzt sofort mit!«, brauste er auf. An seinem Hals traten die Venen hervor.
»Er will dich nicht, hast du das nicht gehört?«
»Was hast du vor, James?«, fragte Hannah. »Willst du mich auf dein Pferd binden? Willst du meine Füße fesseln und mich nach Parramatta zurückschleifen?«
James packte sie mit seiner freien Hand am
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