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Scatterheart

Scatterheart

Titel: Scatterheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili Wilkinson
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schwarz verfärbte Zungenspitze zum Vorschein kamen. »Wie Sie vielleicht wissen, muss ich das Fest vorbereiten.«
    Hannah runzelte die Stirn. »Dann könnten Sie mir vielleicht etwas mitgeben – eine Salbe oder eine Medizin, die ich ihr bringen kann.«
    Dr. Ullathorne blickte sich im Zimmer um.
    »Ich fürchte, gegen Boshaftigkeit gibt es keine Medizin«, seufzte er.
    »Aber es muss doch etwas gegen das Fieber geben …«, sagte Hannah.
    »Ich glaube nicht, dass ich etwas habe«, entgegnete der Doktor kalt.
    Hannah wollte gerade wieder gehen, da schlich Molly auf sie zu und streckte Hannah den braunen Krug entgegen. Dr. Ullathorne sah es, packte ihn mit einer Hand und schlug ihr mit der anderen Hand quer über das Gesicht.
    »Eine Frechheit!«, brüllte er. »Sie wollen ein Mittel für Ihre Freundin? Hier, nehmen Sie das!« Er schleuderte den Krug in Hannahs Richtung. Die duckte sich und der Krug zerschellte am Türrahmen. Eine silberne Flüssigkeit tropfte auf den Boden.
    Hannah flüchtete auf das Deck hinauf. Sie lehnte sich an die Reling und versuchte schwer atmend ihr Zittern zu unterdrücken.
    In dieser Nacht wachte Hannah auf, als kalte, kleine Finger nach ihr tasteten. Sie setzte sich kerzengerade hin und stieß mit dem Kopf an die Holzdecke.
    Es war Molly. Ihr Wachsgesicht erschien ihr im Zwielicht noch bleicher als sonst. Hannah warf einen Blick zu Long Meg hinüber. Sie schlief. Ihre Wunden sahen ein bisschen besser aus und ihr Atem ging gleichmäßig.
    »Was willst du?«, fragte Hannah und schaute Molly böse an.
    Molly schwieg, nur ihr Atem ging stoßweise, als wäre sie gerannt.
    Hannah schob ihre Hände weg und legte sich wieder hin. Ihr Kopf dröhnte von dem Stoß.
    Mollys Finger streiften wieder Hannahs Gesicht.
    »Was ist?«, fragte Hannah.
    »Ich sag es Ihnen ins Gesicht, Herr Doktor Fell, ich mag Sie nicht.« Molly sprach leise die Zeilen eines Kinderreims.
    Hannah verdrehte die Augen. »Verschwinde jetzt und lass mich schlafen.«

Scatterheart sah das Wachsmädchen finster an und nahm die goldene Eichel. Dann ging sie viele Tage lang, bis sie an ein großes Haus kam. Dort wohnte der Ostwind. Sie fragte ihn, ob er ihr helfen könne ihres Vaters Haus zu finden. »Natürlich kann ich dir helfen«, sagte der Ostwind. »Setz dich auf meinen Rücken, dann bringe ich dich hin.« Doch der Ostwind war ein durchtriebener Kerl. Er blies Scatterheart weit, weit fort, bis in das Land, wo der Westwind wohnte.
    Hannah wurde mitten in der Nacht unsanft wach gerüttelt.
    »Verschwinde, Molly«, murmelte sie, »das interessiert mich nicht.«
    »Wach auf«, hörte sie Long Megs Stimme.
    Hannah riss die Augen auf. Long Meg beugte sich über sie. Ihr Kopf war von einem zarten Flaum bedeckt. Die Wunden auf ihrem Gesicht waren immer noch rot und entzündet, aber sie nässten nicht mehr. Long Meg schwankteein wenig. Sie stützte sich mit einer Hand an einem der Balken ab.
    »Meg«, flüsterte Hannah, »wie geht es dir?«
    »Ich brauche deine Hilfe«, sagte Long Meg knapp, drehte sich um und ging den Gang hinunter.
    Hannah sah ihr einen Augenblick nach und versuchte die Müdigkeit abzuschütteln. Long Meg hatte so lange nicht mehr mit ihr gesprochen, dass Hannah sie bei Laune halten wollte, egal was sie im Schilde führte.
    Sie krochen die Stufen hinauf und schlichen auf Zehenspitzen an den sechs Kabinentüren und den Hängematten mit den schlafenden Matrosen entlang. Sie kamen am Stumpf des Großmastes vorbei, der sich wie eine Nadel durch das Schiff bohrte. Hannah spähte in den Gang, in dem die Offizierskabinen lagen. Sie fragte sich, ob James schon schlief. Dann erreichten sie die Treppe auf der anderen Seite des Schiffs, die wieder ins Orlopdeck hinabführte.
    »Wohin gehen wir?«, flüsterte Hannah.
    »Er hat Molly mitgenommen«, erklärte Meg und stieg die Treppe hinunter.
    »Dr. Ullathorne? Ich habe sie heute bei ihm gesehen«, sagte Hannah.
    Meg blieb stehen und drehte sich zu Hannah um. »Er tut ihr weh.«
    Hannah folgte Meg. Am Treppenabsatz bogen sie in den Gang ein, der zu den Räumen von Dr. Ullathorne führte.Meg legte einen Finger an die Lippen und zeigte auf die Tür des Arztzimmers.
    Durch die Ritzen fiel etwas Licht. Hannah schaute Meg warnend an, doch diese schüttelte nur den Kopf und deutete wieder auf die Tür. Hannah schlich darauf zu. Ein Dielenbrett knarrte unter ihren Füßen und sie erstarrte. Long Meg fuchtelte wild mit den Armen. Hannah spähte durch den Spalt zwischen Tür und

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