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Scatterheart

Scatterheart

Titel: Scatterheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili Wilkinson
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ersten Woche hatte Hannah Angst, sie würde gezwungen, am Tanz der Seejungfrau teilzunehmen. Es stellte sich jedoch heraus, dass sich die Gefangenen freiwillig zur Verfügung stellten und der Fabrikvorsteher das Geld mit ihnen teilte. Hannah war empört, dass die Frauen sich wegen ein paar Kupfermünzen so unzüchtig aufführten. Aber dann fiel ihr ein, was Long Meg gesagt hatte.
Das mache ich für Geld, Grog und Schutz
. Und Cathy hatte gemeint:
Wir tun das, weil wir überleben wollen
.
    Hannah traf in der Fabrik nur wenig bekannte Gesichter. Von der
Derby Ram
waren nur eine Handvoll Frauen da, unter anderem die alte Tabby, die sich gleich nach der Ankunft in einen Haufen ranziger, schmutziger Rohwolle vergrub, aus dem sie nur noch selten auftauchte.
    Die Frauen mussten jeden Tag Wolle aus einer benachbarten Schäferei kämmen und verspinnen. Die geschickteren unter ihnen verwoben das grobe Garn zu einem rauen, kratzigen Stoff, aus dem Winterkleidung für die Sträflinge gefertigt wurde.
    Frauen, die in der Fabrik unangenehm auffielen, wurden zu schweren körperlichen Arbeiten ins Freie geschickt. Man legte ihnen mit Nägeln gespickte Halsbänder an und dann wurden sie von Soldaten in roten Uniformen vor das Fabriktor getrieben. Dort mussten sie in Eimern Erde und Bauschutt schleppen, während die Soldaten im Takt einer Trommel auf sie einschlugen. Wer eine Pause machte oder irgendwie aufsässig war, bekam das
Botany-Bay-Dutzend
– das waren fünfundzwanzig Peitschenhiebe – oder zwölf, wenn die Frau sich nackt auspeitschen ließ.
    Der Vorsteher der Frauenfabrik hieß Green. Er tauchte in unregelmäßigen Abständen auf und brachte einen Bottich mit einer wässrigen Graupensuppe. Er verachtete die Gefangenen und nannte sie immer nur dreckige Huren, wenn er von ihnen sprach. Musste er einmal eine berühren, verzog er angeekelt das Gesicht.
    Ansonsten waren die Frauen sich selbst überlassen.
    Hannah fragte jede, die ihr über den Weg lief, ob sie Thomas Behr gesehen habe. Sie nahm kaum den ranzigen Gestank der Schafwolle wahr und sie merkte auch nicht, wie wund ihre Finger schon nach wenigen Stunden Wollekämmen wurden. Es machte ihr auch nichts aus, dass das Essen viel schlechter war als auf der
Derby Ram
und dass es viel seltener etwas gab. Sie fieberte nur noch danach, Informationen über ihren Hauslehrer zu bekommen.
    Ihre Mitgefangenen schüttelten verständnislos den Kopf und Hannah wurde immer mutloser. Vielleicht war er ja überhaupt nicht in New South Wales? Vielleicht war er gar nicht Offizier auf See geworden?
    Doch dann dachte sie an den eigenartigen Blick, mit dem der Offizier sie auf dem Kai angesehen hatte, als sie Thomas’ Namen erwähnt hatte. Er musste etwas gewusst haben. Möglicherweise war Thomas nach England zurückgeschickt worden.
    Eines Abends, Hannah hatte sich schon in ihre Ecke zurückgezogen und ihr Magen knurrte, obwohl das Essen eben erst ausgeteilt worden war, kam eine Frau mit krausen braunen Haaren zu ihr, stellte sich als Bess vor und setzte sich.
    »Ich habe gehört, dass du nach einem Herrn suchst«, begann sie.
    Hannahs Herz klopfte zum Zerspringen.
    »Er heißt Thomas Behr. Weißt du etwas über ihn?«
    Bess schüttelte den Kopf. »Den Namen kenne ich nicht. Aber vor ’ner Weile, als ich noch in Sydney war, habe ich von so einer Sache gehört. Dann gab es zwischen meiner Herrin und mir ein paar Missverständnisse und ich wurde hier hergebracht.«
    »Was für eine Sache?«
    Bess kratzte ihren Arm, der rot entzündet war. »Ein Offizier ist in Schwierigkeiten gekommen. Hatte was mit einer Frau zu tun. Er hat sie umgebracht oder so ähnlich.Dann ist er abgehauen. Das könnte dein Mann sein. Mehr weiß ich nicht.«
    Hannah blickte sie mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Thomas würde niemals jemanden töten. Das kann er nicht gewesen sein.«
    Bess zuckte die Achseln und stand auf. »Männer machen alles Mögliche, wenn es um Frauen geht.« Sie schlurfte davon.
    Tabby starrte Hannah von ihrem Wollhaufen aus an.
    »Du suchst Gnade in einem gnadenlosen Gesicht«, murmelte sie.
    »Die Frau wusste etwas«, erwiderte Hannah.
    Tabby runzelte die Stirn. »Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.«
    Hannah seufzte.
    »Die Not lehrt die nackte Frau das Spinnen«, sagte Tabby.
    Hannah sah sie verständnislos an.
    »Könige und Bären machen ihren Hütern oft Sorgen«, fuhr Tabby fort.
    Hannah packte sie an ihrem dünnen, knochigen Arm.
    »Weißt du etwas? Hast du etwas erfahren?«
    Tabby

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