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Scatterheart

Scatterheart

Titel: Scatterheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili Wilkinson
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Formular und geleitete Hannah zum Wagen.
    Sie kam sich vor wie eine Kuh oder ein Schaf, das jemand auf dem Viehmarkt erstanden hatte. Für James war diese Lösung wahrscheinlich viel angenehmer als eine richtige Heirat. Auf diese Weise war es fast wie eine Geschäftsbeziehung.
    Das Haus von James lag ungefähr sechs Meilen außerhalb von Parramatta. Er hatte es von einem reichen Ehepaar gekauft, das in New South Wales eine neue Schafrasse gezüchtet hatte, dann aber wieder nach England zurückgekehrt war.
    Das Anwesen war ein imposantes viereckiges Gebäude aus groben gelben Mauern. Hannah stellte sich vor, wie die Sträflinge die Steinblöcke in Form gehauen hatten und dass die dunklen Verfärbungen hier und da Blutspuren waren. Das große Wohnhaus wirkte einsam und abweisend. Es war von flachem Land umgeben, auf dem stacheliges braungelbes Gras wuchs und vereinzelte, schmutzig graue Eukalyptusbäume standen.
    »Wir werden bald einen richtigen Garten haben«, sagte James. »Ich habe einen Sträfling angefordert, der Erfahrung im Gartenbau hat.«
    Dank seines neuen Reichtums und seiner Stellung als Offizier konnte James sich die besten Sträflinge für seinen Haushalt aussuchen. Er hatte einen Koch, einen Hausmeister und einen Butler. Außerdem eine Kammerzofe für Hannah und für sich selbst einen Diener. Die übrigen fünf Sträflinge bereiteten das Land für die Acker- und Viehwirtschaft vor. James wollte die Tiere aus England kommen lassen – »Nicht diese armseligen Züchtungen von hier«, wie er sagte – und mit dem Vieh würden weitere fünfzehn Sträflinge eintreffen und für ihn arbeiten.
    Das Haus war vollständig und behaglich eingerichtet. Wie James versprochen hatte, gab es ein Service aus weißem Porzellan und Silberbesteck. Vor den großen Fenstern hingen schwere weinrote Samtvorhänge. Die dunklen Dielen waren auf Hochglanz poliert. Im Wohnzimmer standen drei grüne Chintzsessel und eine dazu passendeChaiselongue. Die Wände waren frisch geweißelt, da Tapeten in der Kolonie nur schwer zu beschaffen waren. Es hingen zwar keine Bilder an den Wänden, aber James hatte auf dem Weg erzählt, dass er erwäge, ein Porträt in Auftrag zu geben.
    Hannah hasste das Haus vom ersten Augenblick an. Sämtliche Zimmer waren in ein hartes weißes Licht getaucht, das jeden Riss, jeden Fleck, jede Staubflocke preisgab. Die Samtvorhänge wirkten protzig und billig, die Möbel übergroß und unwirklich. Hannah kam sich vor wie in einem Puppenhaus.
    James führte sie in ihr Zimmer hinauf – ein Zimmer mit rosa-weißen Spitzenvorhängen und einem großen, bequem aussehenden Bett. In einer Ecke stand eine Sitzbadewanne mit dampfendem Wasser. Hannah stieß einen leisen Schrei aus und vergaß für einen Moment, dass sie das Haus verabscheute. Wie lange war es her, dass sie ein heißes Bad genommen hatte?
    James lächelte.
    »Ich lasse dich jetzt allein. Nimm erst einmal ein Bad«, sagte er und ging hinaus.
    Hannah zögerte nur einen kurzen Augenblick. Sie schälte sich aus dem grauen Arbeitskleid und warf es auf den Boden. Dann stieg sie in die Wanne und seufzte wohlig.
    Auf einem kleinen Beistelltisch befand sich eine Auswahl von Ölen und Seifen und auch eine weiche Wurzelbürste. Hannah benutzte alles und planschte und schrubbte solange, bis das Wasser von dem Schmutz der vergangenen Monate ganz braun geworden war.
    Erst als das Wasser kalt wurde, kam sie heraus und trocknete sich ab. Ihre Haut fühlte sich zart wie Rosenblüten an. Sie tapste barfuß zu dem großen Mahagonischrank. Er enthielt zahlreiche Kleider, Hauben, Mäntel und Schuhe, alles von bester Machart.
    Sie wählte ein blassrosa Musselinkleid mit zarter weißer Paspel und Schuhe aus weichem Ziegenleder. Es war ein merkwürdiges Gefühl, wieder Schuhe zu tragen.
    Auf dem Toilettentisch standen vielerlei Kosmetika und Parfüms – alle aus London oder Paris eingeführt. Mit einem glücklichen Seufzer nahm Hannah ein Fläschchen und zog den Stöpsel heraus. Der Lavendelduft erinnerte sie so stark an ihren Vater, dass sie einen Augenblick lang meinte, wieder in ihrem Schlafzimmer in London zu sein. Dann sah sie hoch und erblickte ihr Spiegelbild. Im ersten Moment erkannte sie das braune, sommersprossige Gesicht nicht, das ihr aus dem Spiegel entgegenblickte. Ihre Haare standen immer noch spitz und unregelmäßig nach oben – sie waren selbst für einen gewagten modischen Haarschnitt viel zu kurz. Über ihrer rechten Augenbraue war eine kleine Narbe, dort

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