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Scatterheart

Scatterheart

Titel: Scatterheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili Wilkinson
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schüttelte den Kopf. »Puddings und Liebschaften müssen heiß angefasst werden«, krächzte sie.
    Hannah ließ sie los.
    »Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.« Tabby kicherte und vergrub sich in ihren Wollhaufen.
    Drei Tage später traf eine Frau aus Sydney ein. Sie hatte einen riesigen blauen Fleck auf der Wange und ihr rechtes Auge war fast zugeschwollen.
    Als der Fabrikvorsteher Green und ein Bediensteter das kärgliche Abendessen brachten, eilte Hannah zu der Neuen hinüber.
    »Behr?«, fragte die Frau und kniff die Augen zusammen.
    »Weißt du etwas über ihn?«, hakte Hannah nach.
    Die Frau schüttelte nachdenklich den Kopf. »Ich glaube nicht«, sagte sie.
    Hannah fasste sie am Handgelenk. »Bitte, überleg. Hast du noch nie etwas über einen, der Behr heißt, gehört?«
    Bess gesellte sich zu ihnen.
    »Ich dachte, das könnte dieser Offizier sein«, sagte sie zu der Neuen. »Der, der diese Frau getötet hat.«
    »Das war eine üble Geschichte«, seufzte die und erschauderte.
    Hannah ließ die Frau wieder los.
    »Macht nichts.« Enttäuscht wandte sie sich zum Gehen.
    »Warte«, sagte da die Neue, »dieser Offizier hatte einen deutschen Namen. Es könnte Behr gewesen sein.«
    »Das ist unmöglich«, erwiderte Hannah. »Thomas ist kein Mörder.«
    Die Frau kniff die Augen zusammen und versuchte sich zu erinnern.
    »Mein Herr hat einmal darüber gesprochen.« Sie fasste an ihre Wange und zuckte zusammen.
    »Mein ehemaliger Herr, genauer gesagt. Er meinte, ein deutscher Offizier hätte sich in eine Sträflingsfrau verliebt. Dann ist er irgendwie in Schwierigkeiten geraten und von der Bildfläche verschwunden.«
    Eine andere Frau mit geschorenem Kopf mischte sich jetzt ein. »Redest du von diesem Offizier, der seinen Vorgesetzten umgebracht hat? Er soll ihn kaltblütig ermordet haben.«
    »Ich habe gehört, er hätte eine Frau getötet«, sagte Bess.
    »Nein«, entgegnete die Frau mit dem geschorenen Kopf.
    »Der Vorgesetzte hat die Frau getötet und dann hat er den Vorgesetzten getötet. Vor zwei Monaten hat man ihn aufgeknüpft.«
    Bess widersprach: »Soviel ich weiß, ist er nach England zurückgeschickt worden.«
    »Ihr habt beide unrecht«, mischte sich die Neue wieder ein. »Er ist in ein Arbeitslager nach Van-Diemens-Land gebracht worden.«
    »Das spielt keine Rolle«, sagte Hannah. »Das ist er nicht.« Der Fabrikvorsteher Green knallte seinen Stock gegen die Wand. »An die Arbeit!«, brüllte er.
    Die anderen Frauen gingen zurück an ihre Webstühle, doch Hannah blieb auf dem Boden sitzen. Wieso sollte sie noch etwas tun? Er war nicht da. Thomas hatte England womöglich nie verlassen. Sie war allein in dieser furchtbaren Hölle am Ende der Welt. Selbst Molly hatten sie ihr genommen.
    »Du!«, bellte der Vorsteher und stellte sich drohend über Hannah. »Faulheit wird hier nicht geduldet!«
    Er ließ seinen Stock mit aller Kraft auf Hannahs Rücken sausen. Das dünne Holz schnitt durch ihr Kleid bis tief in ihre Haut, aber Hannah rührte sich nicht. Green schlug ein zweites Mal zu und der Schmerz explodierte auf ihren Rippen. Hannah erhob sich mühsam und ging zu den Haufen fettiger Wolle, vor denen die Frauen im Schneidersitz hockten und sie kämmten.
    Das Blut in ihrem Kleid trocknete und ihr Rücken brannte und wurde steif. Aber was machte das schon? Alles war unwichtig geworden.
    An den Sonntagen mussten sich die Frauen vor dem Fabrikgebäude in einer Reihe aufstellen und sich von den unverheirateten Männern der Kolonie begutachten lassen. Manche der Arbeiterinnen putzten sich heraus und lächelten, andere sahen mürrisch drein und scharrten mit ihren Schuhen auf dem Boden.
    Die Männer schoben sich an der Reihe entlang, fand einer eine Frau, die ihm gefiel, ließ er sein Taschentuch vor ihr fallen. Wenn der Mann ihr zusagte, hob sie das Tuch auf und ging mit ihm nach Hause.
    Hannah genoss die frische Luft, machte aber jedes Mal, wenn einer an ihr vorüberkam, ein missmutiges Gesicht. Die Männer ließen vor ihr nie ein Taschentuch fallen. Ein bisschen empfand sie das als Kränkung – war sie etwanicht mehr schön genug? In London hätten diese dreckigen, grobschlächtigen Kerle alles darum gegeben, sie auch nur ansehen oder in ihrer Nähe stehen zu dürfen. Und nun waren sie zu gut für sie.
    Es war Hannahs dritter Sonntag vor der Fabrik. Der Himmel war bedeckt und dunkle Wolken kündigten Regen an. Neben ihr stand Tabby in gekrümmter Haltung und kaute auf einer

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