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Scatterheart

Scatterheart

Titel: Scatterheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili Wilkinson
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Weiß seiner Augen so stark hervortrat. Der Mann grinste. Es war ein herausforderndes, bedrohliches Grinsen. Und seine Zähne blitzten so weiß, wie Hannah es noch nie gesehen hatte.
    Die Stadt war von sanft ansteigenden Hügeln umgeben, die von einem wolligen graugrünen Bewuchs bedeckt waren, der wie ein Schafsfell aussah. In der Luft hing ein intensiver erdiger Geruch.
    Irgendwo in ihrem Herzen wartete Hannah immer noch darauf, dass Thomas plötzlich hinter einem der Häuser auftauchen oder auf einem nass geschwitzten Pferd herbeigaloppieren würde. Aber ihr Verstand sagte ihr, dass er nicht käme. Sie blieb stehen, denn es war ihr unmöglich, weiterzugehen.
    Der Boden unter ihr drehte sich. Der Kloß in ihrem Hals schwoll an und raubte ihr die Luft zum Atmen.
    »Es ist gut, Hannah«, beruhigte James sie. »Ich bin bei dir. Du bist einfach landkrank.«
    Hannah wandte sich zu ihm um. Er sah blendend aus wie immer. Seine Augen waren groß und sanft, seine Haut weiß wie Schnee.
    James lächelte sie an. »Hannah?«, sagte er zärtlich.
    Der Kloß in ihrem Hals wurde riesengroß. Sie rang nach Luft, hustete krampfhaft und erbrach bittere Galle auf den staubigen Erdboden. Ein säuerlicher Geruch stieg auf, der sie beinahe überwältigte.
    Sie stolperte hinter den anderen Frauen her, die am Ende des Kais auf mehrere flache Kähne verteilt wurden.
    »Wohin bringt man uns?«, flüsterte Molly ängstlich. »Sind wir denn noch nicht da?«
    »Nein«, erwiderte James, »ihr werdet flussaufwärts zu einer Stadt gebracht, die Parramatta heißt. Dort kommen alle unverheirateten Frauen hin.« Erfasste Hannah am Arm. »Hannah, das muss nicht sein. Es ist noch nicht zu spät.«
    Sie wand sich schweigend aus seinem Griff und kletterte auf den Kahn. Anschließend beugte sie sich vor und half Molly hinein.
    »Ich werde dich holen, Hannah«, sagte James. »Keine Sorge.«
    Hannah blickte nicht zurück, als der Kahn ablegte und Sydney langsam hinter sich ließ.
    Der Fluss glänzte silbrig und in seinem Wasser spiegelte sich das Dickicht aus Grau, Grün und Braun wider, das sich gierig an seinen Ufern ausbreitete. Braungoldene Felder, auf denen wie helle Tupfer vereinzelte Schafe standen, zogen sich weit in das Land hinein. Dahinter erhoben sich sanfte Hügel, die in ein imposantes Gebirgeübergingen. Von den Bäumen stiegen kreischende Vogelschwärme in die Luft, die wie flügelschlagende, bunt schillernde Wolken aussahen, wenn sie auf der Suche nach einem friedlichen Platz über den Himmel glitten. Hannah jedoch kam alles düster und leer vor. Der gallige Geschmack in ihrem Rachen wollte nicht weichen.

TEIL III
Östlich der Sonne,
westlich des Mondes

Der Nordwind wehte davon, aber zuvor ließ er noch eine Eichel auf den Strand fallen. Scatterheart hob sie auf und steckte sie zu den anderen drei Eicheln in ihre Tasche.
    Spätnachts legten die Kähne in Parramatta an. Am Ufer standen ein paar Hütten, aus deren Fenstern trübes orangefarbenes Licht fiel. Ansonsten herrschte absolute Dunkelheit. Hannah schauderte bei der Vorstellung, was hinter dem Lichtkegel der Bootslaterne lauern mochte. Sie dachte an das herausfordernde Grinsen des Eingeborenen, den sie in Sydney gesehen hatte, und nahm Molly fest an die Hand.
    Auf dem schwankenden Landungssteg mussten sie sich in einer Reihe aufstellen. Eine kleine Schar Männer und Frauen steckte die Köpfe zusammen und beobachtete sie. Manche sahen mit ihren rauen Händen und breiten Hüten wie Bauern aus. Andere waren eindeutig von höherem Stand, die Frauen trugen lange Röcke und Hauben und die Männer hatten Zylinder und Gehstöcke.
    Ein Mann in Offiziersuniform ging mit einer Laterne in der Hand vor den Frauen auf und ab, musterte sie genau, schaute sich ihre Zähne und Augen an und fragte sie nach ihrem Namen und dem Vergehen, das sie nach New South Wales gebracht hatte.
    Einige der Frauen wies er den wartenden Leuten auf dem Landungssteg zu, andere ließ er stehen. Als er zu Molly kam, bückte er sich und sah ihr ins Gesicht.
    »Wie heißt du denn, kleines Fräulein?«
    »M… Molly«, antwortete sie.
    »Und dein Nachname?«
    »Nur Molly.«
    »Nun, Molly, wie alt bist du?«
    Molly zuckte die Achseln und entspannte sich ein wenig.
    »Sieben, acht, neun, ich weiß nicht genau.«
    Der Mann nickte und winkte einer Frau, die ebenfalls unter den Wartenden stand.
    »Bringen Sie sie ins Waisenhaus«, sagte er zu ihr. »Sie ist noch zu klein für die Fabrik.«
    Molly klammerte sich an

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