Scepter und Hammer
sofort tauchte die Gestalt Helbigs vor ihm empor.
»Helbig!«
»Hier!«
»Alles gut?«
»Ja.«
»Wo ist das Seil?«
»Es hängt noch.«
»Wirst Du wieder hinaufkommen?«
»Ja, wenn ich wirklich wieder in die Zelle muß. Aber ich denke, Sie wollen mir die Freiheit schenken!«
»Du sollst sie auch haben, aber auf anderem Wege. Du kehrst in Deine Zelle zurück, und ich werde dafür sorgen, daß durch ein Alibi Deine Unschuld bewiesen wird.«
»Es ist finster, und Niemand wird das Seil bemerken, mit dessen Hilfe ich wieder hinauf zum Bodenfenster klettere; aber wie komme ich von dort oben wieder in meine Zelle?«
»Sobald Du oben bist, wirfst Du das Seil herab; ich werde es dann selbst entfernen. Natürlich kann ich Gründe haben, gegen Morgen das Gefängniß nochmals zu revidiren; Du wartest hinter der Bodenthür, bis ich diese öffne. Es wird morgen Niemand ahnen, daß Du während der Nacht das Gefängniß verlassen hast.«
»Und nun meine Aufgabe, gnädiger Herr?«
»Du gehst zunächst in meinen Garten. In derjenigen hinteren Ecke, welche nach dem Flusse zu liegt, findest Du ein Paket. Es enthält einen vollständigen Handwerksburschenanzug, den Du anlegst. Hast Du Geschick genug, für einen Schmiedegesellen zu gelten?«
»Wird mir nicht schwer fallen, Durchlaucht.«
»Schön! Hier hast Du ein Wanderbuch, in welchem Du natürlich vorher die Visa nachsehen mußt. Kennst Du Brandauers Hofschmiede?«
»Ja.«
»Dorthin gehst Du und sprichst um ein Nachtlager an.«
»Sie werden mich in die Herberge weisen.«
»Ich habe Erkundigung eingezogen und erfahren, daß der Meister sehr oft wandernde Gesellen bei sich behält, wenn ihm ihr Aeußeres und ihre Legitimation gefällt. Dein Wanderbuch wird Dich ihm empfehlen; das Uebrige ist Deine eigene Sache. Du mußt auf alle Fälle versuchen, bleiben zu dürfen; halte Dich an die Gesellen; Hier hast Du Geld, ihnen ein Gratial zu geben. Und solltest Du partout gehen müssen, so benütze Deine Zeit wenigstens dazu, Dich mit der Örtlichkeit vertraut zu machen, damit es Dir gelingt, Dich heimlich einzuschleichen.«
»Und was kommt dann?«
»Der Schmied hat einen Sohn, Namens Max, welcher in der Stube über der Schmiede schläft. Auf der andern Seite wohnt eine Zigeunerin und ein verabschiedeter Artilleriehauptmann; das sind drei Personen, für welche ich Dir hier dieses Messer und diesen Revolver gebe; er ist geladen. Weiter kann ich nichts sagen.«
»Ist auch nicht nöthig! Sie können sich darauf verlassen, daß ich stets vollbringe, was ich mir einmal vorgenommen habe. Geht es im Stillen mit dem Messer, so ist es mir um so lieber; gelingt es aber nicht, so schieße ich die Drei ganz einfach vor Aller Augen nieder. Für meine Person ist keinerlei Gefahr dabei.«
»Du kleidest Dich dann in meinem Garten wieder um, wo ich in der hintersten Laube auf Dich warten werde. Gelingt Dir Alles gut, so bist Du in wenigen Tagen frei und ich statte Dich so aus, daß Du ohne Sorgen leben kannst. Jetzt geh!«
Helbig verschwand. Der Herzog wartete noch einige Minuten und entfernte sich dann auch. Jetzt erhob sich kaum einige Fuß von dem Platze, an welchem die Beiden gestanden hatten, Max vom Boden. Er hatte jedes Wort der für ihn so gefahrdrohenden Unterredung vernommen.
»Ein sauberes Paar! Der Plan ist wahrhaftig so verwegen, daß wir sehr bedeutende Personen sein müssen, von deren Entfernung höchst Wichtiges abzuhängen scheint. Diesen Helbig werde ich bekommen, und den Herzog später auch, trotzdem ihm sein Rang den besten Schutz gewährt!«
Er kehrte nach der Schmiede zurück.
Dort saßen heut die Gesellen nicht wie an schönen Abenden im Freien, sondern sie hatten sich in der Werkstatt plazirt. Thomas fehlte; es waren also nur Baldrian, Heinrich und die Lehrlinge anwesend.
»Wenn ich nur wüßte, warum der Thomas verreist ist!« meinte Heinrich, der Artillerist. »Es muß das einen ganz besonderen Grund haben.«
»Das ist am Den!« nickte Baldrian, der Grenadier.
»Kannst Du Dir nichts denken?«
Baldrian schüttelte mit dem Kopfe, und Heinrich fuhr fort:
»Erst eine Depesche und dann der Obergeselle auf Reisen – es geht Etwas vor. Meinst Du nicht auch, Baldrian?«
»Das ist am Den!«
»Droben die Zigeunerin und der Hauptmann; dann der junge Herr immer auf dem Sprunge – es geht Etwas vor! Hast Du das Gesicht gesehen, welches er machte, als er jetzt kam?«
Baldrian nickte.
»Das sah aus, als hätte er etwas ganz Außerordentliches erlebt. Er war
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