Scepter und Hammer
welchen Mühen Du nach des Vaters Liebe und Vertrauen gerungen hast; ich habe das Licht in Deiner Kammer leuchten sehen alle Nächte hindurch bis an den frühen Morgen; Du saßest bei den Büchern, welche Vater Dir gegeben hatte und in denen die schwere Kunst zu lernen ist, ein Schiff zu führen auf dem Strome und auf der großen See. Und wenn Du auf Reisen warst, so bin ich in Deine Kammer gegangen und habe viele Bücher gesehen in fremden Sprachen und mit Zeichen, die kein Taleb (Schriftgelehrter) versteht. Vater sagt, daß Du klüger und geschickter seist als er; Ali nennt Dich Effendi (Magister oder Doktor) und Du bist es auch. Du bist ein Mann, denn Du glaubst nicht an das Fatum und nicht an das Kismet, sondern Du willst durch Deine Arbeit und durch Deine Mühe werden, was Du wirst, und darum hebe ich meine Augen auf zu Dir und liebe Dich.«
Es war ihm so wunderbar, so selig zu Muthe bei diesen Worten des herrlichen Mädchens. Er sah sich in seinem tiefsten, innersten Denken und Streben von ihr verstanden, und dies machte ihn noch stolzer, noch glücklicher als ihre Liebe. Woher hatte sie die Anschauungen, die er hinter der Stirn eines orientalisch erzogenen Mädchens gar nicht erwarten und vermuthen konnte?
»Wer hat Dich gelehrt, am Kismet zu zweifeln?«
»Darf ich es Dir sagen, Katombo?«
»Sage es !«
»Aber Du wirst dann Dein Herz von mir wenden und mich nicht mehr lieben!«
Er legte ihr Köpfchen in überquellender Zärtlichkeit an seine Brust und flüsterte:
»Ayescha, ich war in einem fremden Lande, wo man ein wunderbar schönes Lied singt. Darin kommen Worte vor, die ich Dir als Antwort geben will.«
»Wie lauten sie?«
»Ich hab Dich geliebet und liebe Dich heut, und werde Dich lieben in Ewigkeit!«
»Welch schöne Worte; in jenem Lande muß es Dichter geben, die ebenso groß und gut sind wie dir unsrigen!«
»Noch größer und besser!«
»Wie heißt es?«
»Germanistan.«
»Und ich darf glauben, was dieses Lied sagt, und Dir ohne Sorge meine Antwort geben?«
»Du darfst es, denn lieber will ich sterben, als auf Deine Liebe verzichten!«
»So wisse, daß wir eine alte Sklavin hatten, die nach dem Tode der Mutter immer bei uns sein mußte. Sie war keine Gläubige, sondern eine Christin und hat mir und Sobeïden heimlich viel erzählt von ihrem Heilande, der Isa-Ben-Marryam (Jesus, der Sohn Mariens) geheißen hat und für die Elenden und Armen gar gestorben ist. Die Worte, welche er lehrte, waren wie Thau in der Dürre und wie Balsam für die Schmerzen. Wir haben viel geweint über seine Leiden; aber er wohnt jetzt bei Allah und regiert die Erde. Ich liebe ihn, und weil er verboten hat, an das Kismet zu glauben, so will ich ihm gehorsam sein.«
»Weiß Dein Vater all dies?«
»Nein. Aber Du bist ein Gläubiger und wirst mich nun von Dir stoßen!«
»Nein, das werde ich nicht, denn was Isa-Ben-Marryam gesagt hat, das glaube auch ich. Doch das Herz ist ein Brunnen, aus dem nicht Jeder trinken darf; darum soll man nicht sprechen von seinen Gedanken, und nicht reden von den Gefühlen, welche in ihm wohnen. Wer glücklich ist, soll seine Seligkeit verschließen, und wer ein Leid zu tragen hat, darf es nicht Andern zeigen.«
»Und doch hast Du es Andere sehen lassen!«
»Ich? Woher weißt Du, daß ich ein Leid im Herzen hatte?«
»Hast Du jemals gelacht, seit ich Dich kenne? Bist Du jemals munter und vergnügt gewesen? Auf Deiner Stirn stand geschrieben, daß Dich ein großes Unglück drückte, und erst heut sah ich Dein Auge zum ersten Male ohne Wolken. Willst Du mir sagen, was Dich so tief betrübte?«
»Ja; aber nun muß ich befürchten, daß Du dann mich nicht mehr liebst! «
Sie legte ihre Arme um seinen Nacken und flüsterte:
»Ich habe Dich geliebet und liebe Dich heut, und werde Dich lieben in Ewigkeit!«
Er küßte sie mit tiefer Bewegung auf die reine Stirn.
»Ja, ich trug ein großes Leid im Herzen! Was würdest Du thun, Ayescha, wenn ich Dich jetzt von mir stieße und eine Andere liebte, die mich blos für eine Woche sehen will, um mit meiner Liebe zu spielen?«
»Katombo, thue das nicht; ich würde sterben!« bat sie in angstvollem Tone.
»Nein, meine Seele, das thue ich nicht! Ich habe auch geglaubt, daß ich sterben müsse; aber das Herz des Mannes ist stark; es blutet fort, doch es bleibt leben, und das ist schlimmer als der Tod.«
Sie sah ihn fragend an.
»So hast Du eine Andere geliebt, die Dich verlassen hat?«
»Ja. Und nicht wahr, nun wirst Du mir Deine
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