Scepter und Hammer
brach in ein lautes Schluchzen aus. Remusat hob leise den Schleier und küßte sie auf die Stirn.
»Weine nicht wieder, mein Kind, denn mein Herz blutete bereits, als Du von Ayescha schiedest. Banne den Schmerz in die Tiefe des Herzens, denn Allah ist gnädig und wird geben, daß wir uns wiedersehen.«
Sie schluchzte leise fort, bis er sie in die Arme Omar-Bathus legte.
»Sie war mir verloren und wurde mir wiedergebracht. Ich gebe sie Dir; aber das Kind bleibt dem Vater, so lange die Pulse schlagen: ich werde Dich und sie wiedersehen!«
»Mein Zelt wird Dir offen stehen, so oft Dein Fuß zu mir kommt, und dann wirst Du Dich an dem Glücke Deiner Kinder erfreuen. Gern hätte ich Dich bis nach Kairo begleitet, denn ich bin mächtig unter den Meinen und mein Name hätte Dir vielen Nutzen bringen können. Doch Du hast nicht gewollt.«
»Ich hätte Dich in das Verderben gezogen, welches meiner wartet, sobald man mich ergreift. Nun aber weiß ich Dich und mein Kind bei Dir in Sicherheit. Allah sei mit Euch jetzt und in Ewigkeit! Lebe wohl, meine Tochter; lebe wohl, mein Sohn; lebt wohl, ihr Männer. Sallam aaleïkum, Friede und Heil sei mit Euch!«
»Sallam aaleïkum!« ertönte es als Gegengruß rundum im Kreise der Reiter. Sobeïde bestieg unter immerfort rinnenden Thränen den Tachterwan; die Trennung war ihrem Gemüthe zu schnell und unerwartet gekommen. Die Kameele erhoben sich vom Boden; die Reiter bestiegen ihre Pferde, und nach einem letzten »Sallam« stob die Schaar von dannen.
Noch einige Minuten stand Manu-Remusat allein auf der Stelle, bis der Hufschlag der Thiere vollständig verklungen war, dann wandte er sich um, erst langsam und später immer eiliger zurückkehrend, aber nicht zu seinem Hause, denn dieses stand bereits vollständig leer, sondern an das Ufer des Flusses, wo man schon seiner wartete.
Wäre es Tag gewesen, so hätte man weit unterhalb des Kaffeehauses eine Dahabié schwimmen sehen, welcher eine zweite und eine dritte folgte. Sie alle waren möglichst geräuschlos vom Lande gestoßen und ließen sich ohne Segel einstweilen nur von den Wogen treiben. Die ersteren konnten nur dann erst aufgezogen werden, wenn man das Gebiet der Stadt verlassen hatte, und das war kein ganz ungefährliches Unternehmen, da das Fahrwasser des Niles wegen seiner alljährlichen Ueberschwemmungen so trügerisch ist, daß die Schiffer, wenn sie nicht durch die Noth oder irgendein unabweisbares Gebot gezwungen sind des Nachts zu fahren, gewöhnlich des Abends an das Ufer legen, um erst mit dem Beginne des Morgens weiterzufahren.
Der Sandal aber lag noch ebenso ruhig wie vorher. Manu-Remusat schlich sich vorsichtig auf ihn zu. Am Ufer lagerten zwischen allerlei Tau-und anderen Schiffswerk eine Anzahl von Männern, welche er sich unter seinen Untergebenen ausgewählt hatte; bei ihnen hielt Katombo.
»Wo ist Ayescha?« frug er diesen.
»Dort auf der Taurolle sitzt sie.«
»Werden wir sie wirklich in den Raum bringen, selbst wenn alles gelingt? Ich hätte sie doch auf einer Dahabié einschiffen sollen, wir konnten sie dann später an Bord nehmen.«
»Sie will sich auf keinen Augenblick von Dir und mir scheiden. Sie hat ein muthiges Herz und wird uns das Werk nicht erschweren. Hier ist die Strickleiter; befestige sie an das Tau, wenn Alle eingestiegen sind. Wenn Du sie straff anziehst, wird Ayescha leicht emporsteigen können. Jetzt aber will ich hinauf, denn es ist nicht weit von Mitternacht, und der Kaschef kann alle Augenblicke kommen.«
»Sei vorsichtig, mein Sohn, denn von Dir hängt das Gelingen unseres Werkes ab!«
Katombo trat in das Wasser und watete leise bis an die Seitenwand des Fahrzeuges. Hier hing ein Tau vom Bord herab. Er ergriff es und schwang sich empor. Die Fußspitzen an die Planken stemmend und sich fest am Seile haltend, schob er nur die Augen über Deck, um erst zu sehen, wo die Wächter waren. Sie saßen beim Scheine der Schiffslaterne hinten am Steuer und er erkannte aus den Bewegungen ihrer Arme, daß sie würfelten.
Schnell schwang er sich an Bord und kroch vorsichtig zwischen den herumliegenden Leichen nach der Raumluke. Hier glitt er die Treppe hinab und trat zur Seitenwand, wo er eine Seitenluke öffnete, welche groß genug war, einen auch kräftigen Mann hindurchzulassen. Er hatte gewußt, daß im Raume, der jetzt keine nennenswerthe Ladung hatte, Taue genug lagen. Er ergriff eines derselben, befestigte es an dem Lukennagel und ließ es außen niedergleiten. Es wurde von den
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