Scepter und Hammer
konnte. Die Herren vom Militär, unter denen sich sogar Generale befanden, waren gefangen, ohne Gegenwehr leisten zu können. –Während dies in der unmittelbaren Nähe der Residenz geschah, ging in größerer Entfernung etwas Anderes vor, dessen sich weder der König noch Max Brandauer versehen hätten.
In der Irrenanstalt saß der Schließer mit seinem Weibe beim Abendbrod; aber es schien, als ob sie sich mehr mit ihren Gedanken als mit dem Essen beschäftigten.
»Weißt Du es auch wirklich ganz genau?« frug sie.
»Ganz und gar.«
»Schrecklich!«
»Ja, schrecklich. Ein Herzog in der Zwangsjacke!«
»Ohne daß man etwas sagen darf!«
»Er gab stets ein gutes Trinkgeld!«
»Dieser Brandauer aber gar nichts!«
»Und der König auch nicht!«
»Er würde viel, sehr viel geben, wenn er frei sein könnte.«
»Natürlich!«
»Wir sind arm.«
»Trotzdem ich so lange im Dienste bin. Zwanzig Jahre bereits spielen wir in der Lotterie, ohne jemals einen Pfennig gewonnen zu haben. Wer kein Glück haben soll!«
»Es hat jeder Mensch einmal oder auch öfters Glück. Die Hauptsache aber ist, daß man es erkennt und sofort zugreift.«
»Wo hätte ich denn zugreifen sollen?«
»Früher nicht, aber jetzt, heut!«
»Wenn und wo?«
»Dummrian!«
»Pah! Ich verstehe Dich schon. Aber die Sache ist halsbrecherisch.«
»Gar nicht. Du hast die Schlüssel.«
»Das ist wahr. Ich kann überall hin.«
»Na, also! Wie lange wird es dauern, kommt der Wärter des ersten Korridors und läßt sich zum Abendbrod ablösen. Da könntest Du den Handel abmachen. Es kommt kein Mensch dazu.«
»Man kann nicht wissen. Es ist in letzter Zeit so viel Ungewöhnliches passirt, daß man niemals sicher sein kann. Die beiden Aerzte sind stets auf den Beinen.«
»Ich werde Wache stehen und Dich warnen, sobald ich etwas sehe.«
»Das ginge. Wie viel soll ich verlangen?«
»Fünftausend Thaler.«
»Fünftausend? Bist Du gescheidt!«
»Weniger gar nicht.«
»Auch noch weniger? Fällt mir gar nicht ein! Ich muß, wenn ich so etwas thue, gleich so viel bekommen, daß ich gemächlich von den Zinsen leben kann.«
»Nun?«
»Zwanzigtausend.«
»O, das ist zuviel!«
»Nein. Der Herzog wird schon Ja sagen. Er ist unermeßlich reich und gibt gewiß lieber eine solche Summe, als daß er sich verrückt machen oder zu Tode martern läßt.«
»So versuche es!«
»Aber die Gefahr!«
»Ich sehe keine. Wer will beweisen, daß Du es bist, der sie befreit hat?«
»Ich müßte ihnen die Seitenpforte öffnen und Alles so einrichten, daß auf mich kein Verdacht fallen kann.«
»Natürlich.«
»Wie aber will mich der Herzog bezahlen?«
»Das müßt Ihr besprechen.«
»Will mir die Sache überlegen!«
Er lehnte sich zurück und grübelte über den verwegenen Plan nach, bis der vorhin erwähnte Wärter erschien.
»Schließer, nehmen Sie meinen Korridor auf ein halbes Stündchen!«
»Gut!«
Er stieg die Treppe empor. Als er sich überzeugt hatte, daß der Wärter sich entfernt habe und seine Frau auf ihrem Posten stehe, öffnete er die Zelle Nummer Eins, trat ein und löste die Riemen von dem Zwangsstuhle des Herzogs.
»Durchlaucht!«
Ein gurgelnder Laut war die Antwort.
»Durchlaucht!«
»Ah!«
»Kommen Sie zur Besinnung!«
Die Augen des Herzogs erhielten Ausdruck und Leben. Er war nicht barbarisch eingeschnallt gewesen, aber die Ungewohntheit der Lage hatte ihn fürchterlich ermattet.
»Wer – was ist?« frug er.
»Ich bin es, der Schließer.«
»Ah, Du! Was willst Du?«
»Sie retten!«
Mit einem Sprunge stand der Herzog auf den Beinen. Das eine Wort »retten« hatte ihn zur vollständigen Besinnung gebracht. »Du willst? Wenn?«
»Heut in der Nacht.«
»Ists wahr?«
»Es ist mein Ernst! Sie waren mir stets ein so guter und freigebiger Herr, daß ich es versuchen will, Sie zu befreien.«
»Mensch, wenn Du die Wahrheit sagst, so werde ich Dich wahrhaftig königlich belohnen. Sage mir, wie viel Du verlangst!«
»Was wollen Durchlaucht geben?«
»Fünfundzwanzigtausend Thaler für mich, und noch zehntausend für diesen da, noch heut auf das Brett gezählt!«
»Ists wahr, gnädiger Herr?« frug der Schließer, freudig erschreckt von der Höhe dieser Ziffern.
»Ich gebe Dir mein heiliges Wort!«
»Wo und wie werde ich das Geld erhalten?«
»Baar in meinem Palais.«
»In der Residenz?«
»Ja.«
»Kann ich nicht! Ich müßte selbst mitgehen, und dann wäre es ja verrathen, wer Sie befreit hat.«
»Schadet nichts! Ich werde
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