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Scepter und Hammer

Scepter und Hammer

Titel: Scepter und Hammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vermochten. Der Direktor schwitzte vor Angst; er wagte während des raschen Ganges kein Wort mit dem Oberarzte zu wechseln.
    »Nummer Elf öffnen!« rief Max schon unter der Korridorthür dem Wärter zu.
    Die beiden Unterärzte befanden sich auf einem Rundgange in der Nähe. Sie traten herbei, überrascht darüber, daß ein Fremder hier in so stürmischer Weise das Kommando führte.
    »Herr Doktor Brandauer, königlicher Kommissär!« keuchte der Direktor.
    Der Genannte aber eilte achtlos an den beiden Männern vorüber und trat in die Zelle.
    »Herunter mit der Jacke, augenblicklich herunter!« gebot er.
    Der Wärter blickte seine Vorgesetzten fragend an.
    »Thue es!« stöhnte der dicke Direktor, dessen Verdauung heute in einer so unerwarteten Weise gestört wurde.
    Jetzt war es Max, welcher beim Öffnen des Marterwerkzeuges mithalf.
    Der Befreite sog die Luft in einem tiefen Zuge in die von der entsetzlichen Pressung erlöste Lunge und versuchte, die Glieder zu recken, die von dem stagnirenden Blute angeschwollen waren. Aber die Fähigkeit, zu denken, schien ihm noch nicht zurückgekehrt zu sein.
    »Der Name dieses Mannes, Herr Direktor!«
    »Von Wallroth, vormals Hauptmann der Artillerie.«
    »Seine Einlieferungsakten –?«
    Der Direktor schwieg.
    »Ich verstehe! Sie waren jedenfalls ganz von derselben Beschaffenheit wie diejenigen seiner Mutter. Herr Direktor, es scheinen unter Ihrer Leitung Dinge vorzugehen, welche mich veranlassen, eine strenge Untersuchung zu beantragen. Halten Sie den Hauptmann wirklich für wahnsinnig?«
    »Natürlich!«
    »Wer sind diese beiden Herren?«
    »Meine Unterärzte.«
    »Meine Herren,« wandte er sich an diese, »ich bitte um Ihre Meinung über diesen Punkt.«
    »Herr Kommissär –!«
    »Keine Ausflucht oder Bemäntelung! Ich frage Sie auf Ihre Ehre und Ihr Gewissen, ob Sie diesen Bedauernswerthen wirklich für wahnsinnig halten. Ihre Antwort wird über Ihre Stellung und Zukunft entscheiden.«
    »Er wird es in kurzer Zeit sein,« antwortete der Muthigere von Beiden.
    »Das genügt und stimmt mit meiner eigenen Ueberzeugung vollständig überein. Herr Direktor, ich erkläre den Hauptmann sammt seiner Mutter für frei und aus der Anstalt entlassen. Sorgen Sie augenblicklich für die nöthige Stärkung der Beiden und dann für einen Wagen, in welchem sie mich nach der Residenz begleiten. Vorher aber wollen wir noch sehen, ob der Befehl zu finden ist, welchen Sie heute von Seiner Durchlaucht durch einen Expressen erhielten. Das Weitere wird durch die Behörde verfügt werden, deren Instruktion Sie so gern respektiren!« –
Fünftes Kapitel
An der Grenze
    Das Königreich Norland wird von dem Nachbarstaate Süderland durch ein Gebirge getrennt, welches in zwei parallelen Systemen von Westen nach Osten streicht. Sich nach und nach aus tiefen, sumpfigen Niederungen erhebend, steigt es in seiner mittleren Region viele tausend Fuß hoch über die Wolken empor und senkt sich dann allmählig zur Küste des Meeres hinab, um sich seinen felsigen Fuß von den Wogen desselben bespülen zu lassen. Nur einige schmale, schwer wegsame Pässe öffnend, bilden die beiden Hauptzüge zwischen sich eine langgezogene Reihe von Thälern und Schluchten, in welche der erwärmende Strahl der Sonne nur am hohen Mittag zu dringen vermag. Aus ihrem feuchten Grunde steigen düstere Tannen-und Föhrenwälder empor, welche nur selten der menschliche Fuß betritt, und läßt sich je einmal das Geräusch von Schritten vernehmen, so wird es verursacht von einem einsam revierenden Forstbeamten, einem verborgen dahinschleichenden Wildschützen oder einem Schmuggler, der es bei diesem Terrain wohl wagen darf, seinem verbotenen Gewerbe selbst am Tage nachzugehen.
    Zuweilen allerdings geschieht es, daß er sich nicht allein befindet; es kommt vor, daß sich aus Rücksichten des Geschäftes und der Sicherheit Mehrere an einander schließen, die dann, wohl bewaffnet und mit schweren Paketen beladen, in einer langen und weiten, Intervalle bildenden Reihe über Berg und Thal, durch Busch und Dorn dringen und jederzeit bereit sind, die ihnen anvertrauten Waaren gegen jeden Angriff zu vertheidigen.
    Diese Schmuggelei ist eine leicht zu erklärende Folge des heftigen Zollkrieges, welcher zwischen den beiden Nachbarstaaten geführt wird. Im Besitze ganz gleicher Hilfsmittel und an einem und demselben Meere liegend, haben sie einander stets rivalisirend gegenübergestanden. Zwar hat es nicht an wohlgemeinten Versuchen gefehlt,

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