Scepter und Hammer
ein freundlicheres Verhältniß herbeizuführen, doch haben derartige Bemühungen immer nur einen momentanen Erfolg gehabt, da bei den beiden Nachbarvölkern eine gegenseitige Abneigung in Fleisch und Blut übergegangen zu sein scheint, ihre Interessen schwer zu vereinigen sind und die absolute Regierungsform hüben und drüben den Nationen keine Einrichtungen bietet, an der Politik des Herrscherhauses und der Verwaltung des Landes in der Weise theilzunehmen, welcher es möglich sein würde, eine dauernde Inklination heranwachsen zu lassen.
Max Joseph, König von Süderland, ist ein Regent, welcher die Traditionen seiner Dynastie in ihrem ganzen Umfange aufrecht zu erhalten weiß, alle Zweige der Administration um seine Person gruppirt, keinem Menschen Einsicht in seine Intentionen gestattet und das »
l’état c’est moi
« jedem seiner Worte und jedem seiner Befehle aufzudrücken gewohnt ist. Seine Minister sind weniger seine Berather, als vielmehr seine Diener im engeren Sinne des Wortes; er hat nie einen derselben mit besonderem Vertrauen beglückt, und wie er ein in sich abgeschlossener Charakter ist, so bleibt auch sein ganzes Bestreben darauf gerichtet, eine Schutzmauer um sein Volk zu ziehen, um dasselbe unabhängig von äußeren Einflüssen zu machen und es gegen jede von daher kommende Gefahr gerüstet zu sehen.
Dieses defensive Verhalten wird wohl auch mit bedingt durch die nachbarliche Politik, welche seit einigen Jahrzehnten offenbar als eine offensive bezeichnet werden muß und deren Vertreter kein Anderer als der Herzog von Raumburg ist.
Wilhelm der Zweite, König von Norland, ist ein Herrscher von so wohlmeinenden Gesinnungen, wie sie in solchem Umfange wohl keiner seiner Vorfahren aufzuweisen hatte. Leider läßt die Güte seines Herzens nicht Raum genug für die strenge Energie, welche ein Mann besitzen muß, in dessen Hände die größten und schwierigsten Aufgaben staatlicher Entwicklung gelegt sind. Die Güte, welche den Einen beglückt, scheint den Andern zu benachtheiligen, kränkt ihn vielleicht wirklich in seinem Rechte, und so kommt es, daß ein Theil der Bevölkerung den väterlichen Herrscher vergöttert, während der andere Theil in stillem, verborgenem Mißmuthe sich nach Veränderungen sehnt, die nur die Selbstsucht, der kurzsichtige persönliche Egoismus herbeiwünschen kann.
Das Königshaus repräsentirt die ältere Linie seiner Dynastie; die jüngere bildet das herzoglich Raumburgische Geschlecht. Nach alten, unumstößlichen Bestimmungen tritt das Letztere in die Herrschaft ein, wenn die ältere Linie aussterben sollte. Gegenwärtig ist dazu alle Hoffnung, oder nach einer andern Lesart, alle Befürchtung vorhanden. Das Königspaar wurde mit keinem Thronfolger gesegnet; das einzige Kind, eine Tochter, starb bereits einige Tage nach der Geburt. Der Herzog von Raumburg, welcher mit dem Könige zugleich erzogen wurde, besaß zu aller Zeit das unbeschränkte Vertrauen desselben, hat sich dasselbe nutzbar zu machen gewußt, nennt sich den eigentlichen Herrscher des Landes und erwartet nur das Ableben des Königs, um sich selbst oder seinen Sohn auf den Thron zu setzen. Er hat es ganz vortrefflich verstanden, die Fäden der Administration in seiner Hand zu vereinigen, die Militärmacht sich zu unterstellen und auch auf die diplomatischen Beziehungen zu dem Auslande den weitgehendsten Einfluß zu gewinnen. Dieser Einfluß trägt die alleinige Schuld an dem bisherigen unerquicklichen Verhältnisse zu dem Nachbarstaate, und daher erregte es nicht geringe Verwunderung, als man vernahm, nur seiner Vermittlung sei der gegenwärtige Besuch des Kronprinzen von Süderland mit der Prinzessin Asta zu verdanken. Daß dieser Besuch einen politischen Hintergrund habe, war nicht zu bezweifeln, und man erwartete mit allgemeiner Spannung die Zeit, in welcher derselbe auch gewöhnlichen Augen sichtbar werden mußte. –
Es war am Nachmittage. Zwei Wanderer schritten auf der schmalen, holperigen Gebirgsstraße dahin, welche von der See heraufkommt und sich zwischen den finstern Gebirgsblöcken dahinwindet wie das Bette eines ausgetrockneten Baches, aus welchem man nur die größeren Felsblöcke entfernt hat, um ihn für den Fuß des Wanderers gangbar zu machen. Sie schienen alte Bekannte zu sein, obgleich zwischen ihrem Aeußeren der größte Unterschied herrschte, den man sich nur denken kann.
Der Eine war eine hohe, fast mehr als breitschulterige Figur. Sein von dichtem Haarwuchse bewaldeter Kopf
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