Schabernackel
die eine nicht ankomme. Außerdem freue sich seine Frau bestimmt, wenn er sie ihr in die Vase stecke.
Unter den Kindern sprach es sich sehr schnell herum, daß ihr Hausmeister über Nacht ein freundlicher Mensch geworden war. Bald kamen immer mehr zum Spielen auf die Wiese. Und alle waren genauso nett zu ihm wie er zu ihnen. Keiner ärgerte ihn, keiner bereitete ihm mutwillig Scherereien und Mehrarbeit. Das gefiel ihm, und darum änderte sich allmählich seine Einstellung zu den Kindern. Er hielt sie nicht mehr länger für Störenfriede und Plagegeister, die nur auf der Welt waren, um Erwachsenen Böses zu tun, sondern einfach für junge Menschen, die noch ungestüm waren und darum hin und wieder etwas falsch machten.
Schabernackel bemerkte die Wandlung des Hausmeisters und beeilte sich, ihm den magnetischen Gegenteiler wieder aus der Tasche zu nehmen, damit der aus den guten Gedanken, die der Mann jetzt immer häufiger dachte, keine bösen Sätze machte. Er steckte den Magnet in den Sack zurück und beobachtete den Hausmeister noch einen ganzen Tag lang. Dann bestieg er zufrieden seine Reisewolke und flog davon. „Mein lieber Lumpensack“, sagte er, „das war ein voller Erfolg. Ein besseres Mittel als den Gegenteiler hättest du mir für den Hausmeister nicht geben können. Jetzt mache ich Urlaub im Gebirge und ruhe mich einmal richtig aus.“
Schabernackel machte nun eine weite Luftreise, schwebte über braune Äcker, grüne Wiesen und buntgefärbte Wälder. Er flog den großen Flüssen entlang, sah sie immer kleiner und lieblicher werden und entdeckte schließlich ihre Quellen zwischen Felsen und unter Gletschern.
Auf einer Alm im Gebirge landete er.
Nachdem er seine Reisewolke in einen dichten Haselnußbusch geschoben hatte, ging er zu einer der rotbunten Kühe und melkte sich einen Becher voll Milch.
„Hm“, sagte er, „die schmeckt! Davon kann man gut und gern das Doppelte trinken!“ Gerade beugte er sich wieder unter die Kuh, um sie ein zweites Mal zu melken, da sah er einen kleinen Jungen Hals über Kopf auf sich zulaufen und hörte ihn laut weinen. Es schien, als verfolge ihn jemand. Und wirklich tauchten bald sieben, acht Jungen am Rande der Alm auf und rannten grölend hinter ihm her. Als der Junge sie sah, versuchte er noch schneller zu laufen. In seiner Hast und Angst aber stolperte er und schlug sich an einem Stein die Stirn blutig. Das nahm ihm fast die Besinnung. Benommen rappelte er sich auf und taumelte in die falsche Richtung, seinen Verfolgern entgegen.
Da war Schabernackel mit einem Satz neben ihm.
„Komm“, sagte er, indem er seine Hand ergriff, „schnell! Wir müssen da hin!“ Und er rannte mit ihm zu dem Haselnußbusch, wo die Reisewolke versteckt war.
„Steig ein“, befahl er, „rasch!“
Der Junge gehorchte. Schabernackel hob das rechte Bein, und die Wolke löste sich vom Boden und schwebte empor. Langsamer als sonst, sie hatte ja eine schwerere Last zu tragen. Aber als die Jungen herankamen, segelte sie schon hoch über ihren Köpfen und war unerreichbar für sie.
„Nun bist du in Sicherheit“, sagte Schabernackel, „und mußt nicht mehr weinen.“ Der Junge nickte, wischte seine Tränen ab und suchte nach einem Taschentuch, konnte sein Schluchzen aber so schnell nicht abstellen. Schabernackel gab ihm ein Stück Wolkenstoff zum Naseputzen und klebte ihm auch ein Stück als Verband auf die blutige Stirn.
„Wie heißt du?“ fragte er.
„Heinrich Knübel“, antwortete der Junge.
„Warum bist du vor den Jungen da unten weggelaufen?“
„Weil ich nicht in den Korb steigen will, den sie an einem Seil oben vom Berg runtersausen lassen wollen.“
„Na, das darfst du auch nicht!“ rief Schabernackel. „Das ist doch gefährlich! Der Korb könnte herunterfallen, oder du könntest dir unten am Pfeiler den Schädel einschlagen!“ Heinrich nickte.
„Das ist den Jungen egal“, sagte er leise. „Die quälen mich den ganzen Tag.“
Schabernackel blickte ihm ins Gesicht. Ein schönes Kind war Heinrich nicht. Er hatte einen schmalen Kopf, brennend rote Haare, eine blasse Hautfarbe und unzählig viele Sommersprossen. Dazu klaffte in seiner oberen Zahnreihe eine breite Lücke. Und schmächtig war er, sehr schmächtig. Seine Arme und Beine waren kaum dicker als Besenstiele. Schabernackel schwieg eine Weile und dachte nach.
„Sind die da unten alle aus deiner Klasse?“ fragte er endlich. Heinrich schüttelte den Kopf.
„Nein“, antwortete
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