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Schach von Wuthenow

Schach von Wuthenow

Titel: Schach von Wuthenow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Mien oll Kreepsch is joa nu groad bie 't Pierd und schütt't em wat in. Awers keen Viertelstunn mihr, junge Herr, denn hebben S' ehren Koffe. Un ook wat dato. De oll Semmelfru von Herzberg wihr joa all hier.«
    Unter diesen Worten war Schach in Kreepschens gute Stube getreten. Alles darin war sauber und rein, nur die Luft nicht. Ein eigentümlicher Geruch herrschte vor, der von einem Pfeffer- und Koriandermixtum herrührte, das die Kreepschen als Mottenvertreibungsmittel in die Sofaecken gesteckt hatte. Schach öffnete deshalb das Fenster, kettelte den Haken ein und war nun erst imstande, sich all der Kleinigkeiten zu freun, die die »gute Stube« schmückten. Über dem Sofa hingen zwei kleine Kalenderbildchen, Anekdoten aus dem Leben des großen Königs darstellend, »Du, du« stand unter dem einen, und »Bon soir, Messieurs« unter dem andern. Um die Bilderchen und ihre Goldborte herum hingen zwei dicke Immortellenkränze mit schwarzen und weißen Schleifen daran, während auf dem kleinen, niedrigen Ofen eine Vase mit Zittergras stand. Das Hauptschmuckstück aber war ein Schilderhäuschen mit rotem Dach, in dem früher, aller Wahrscheinlichkeit nach, ein Eichkätzchen gehaust und seinen Futterwagen an der Kette herangezogen hatte. Jetzt war es leer, und der Wagen hatte stille Tage.
    Schach war eben mit seiner Musterung fertig, als ihm auch schon gemeldet wurde, »daß drüben alles klar sei«.
    Und wirklich, als er in den Gartensalon eintrat, der ihm ein Nachtlager so beharrlich verweigert hatte, war er überrascht, was Ordnungssinn und ein paar freundliche Hände mittlerweile daraus gemacht hatten. Tür und Fenster standen auf, die Morgensonne füllte den Raum mit Licht, und aller Staub war von Tisch und Sofa verschwunden. Einen Augenblick später erschien auch schon Krists Frau mit dem Kaffee, die Semmeln in einen Korb gelegt, und als Schach eben den Deckel von der kleinen Meißner Kanne heben wollte, klangen vom Dorfe her die Kirchenglocken herauf.
    »Was ist denn
das
?« fragte Schach. »Es kann ja kaum sieben sein.«
    »Justement sieben, junge Herr.«
    »Aber sonst war es doch erst um elf. Und um zwölfe dann Predigt.«
    »Joa, so wihr et. Awers nu nich mihr. Un ümmer den dritt'n Sünndag is et anners. Twee Sünndag, wenn de Radenslebensche kümmt, denn is't um twölwen, wiel he joa ihrst in Radensleben preestern deiht, awers den dritten Sünndag, wenn de oll Ruppinsche röwer kümmt, denn is et all um achten. Un ümmer, wenn uns oll Kriwitz von sine Turmluk ut unsen Ollschen von dröwen abstötten seiht, denn treckt he joa sien Klock. Und dat's ümmer um seb'n.«
    »Wie heißt denn jetzt der Ruppinsche?«
    »Na, wie sall he heten? He heet ümmer noch so. Is joa ümmer noch de oll Bienengräber.«
    »Bei dem bin ich ja eingesegnet. War immer ein sehr guter Mann.«
    »Joa, dat is he. Man blot, he hett keene Teihn mihr, ook nich een, un nu brummelt un mummelt he ümmerto, un keen Minsch versteiht em.«
    »Das ist gewiß nicht so schlimm, Mutter Kreepschen. Aber die Leute haben immer was auszusetzen. Und nun gar erst die Bauern! Ich will hingehen und mal wieder nachsehen, was mir der alte Bienengräber zu sagen hat, mir und den andern. Hat er denn noch in seiner Stube das große Hufeisen, dran ein Zehnpfundgewicht hing? Das hab ich mir immer angesehn, wenn ich nicht aufpaßte.«
    »Dat woahrd he woll noch hebben. De Jungens passen joa all nich upp.«
    Und nun ging sie, um ihren jungen Herrn nicht länger zu stören, und versprach ihm ein Gesangbuch zu bringen.
    Schach hatte guten Appetit und ließ sich die Herzberger Semmeln schmecken. Denn seit er Berlin verlassen, war noch kein Bissen über seine Lippen gekommen. Endlich aber stand er auf, um in die Gartentür zu treten, und sah von hier aus über das Rondel und die Buchsbaumrabatten und weiter dahinter über die Baumwipfel des Parkes fort, bis sein Auge schließlich auf einem sonnenbeschienenen Storchenpaar ausruhte, das unten, am Fuße des Hügels, über eine mit Ampfer und Ranunkel rot und gelb gemusterte Wiese hinschritt.
    Er verfiel im Anblicke dieses Bildes in allerlei Betrachtungen; aber es läutete gerade zum dritten Mal, und so ging er denn ins Dorf hinunter, um, von dem herrschaftlichen Chorstuhl aus, zu hören, »was ihm der alte Bienengräber zu sagen habe«.
    Bienengräber sprach gut genug, so recht aus dem Herzen und der Erfahrung heraus, und als der letzte Vers gesungen und die Kirche wieder leer war, wollte Schach auch wirklich in die Sakristei

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