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Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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zögerte.
    »Los«, sagte Helmar.
    Jetzt berührte sie die Taste erneut. Die zierlose Vorderseite des Quaders verblaßte. Sie schauten in seine Tiefen hinab, in die wirbelnde Flüssigkeit, die ihn ausfüllte.
    Ein Mann stand aufrecht darin, im Medium des Quaders im Gleichgewicht gehalten. Er lag regungslos, die Arme an den Seiten, die Augen geschlossen. Mit einem Schock stellte Parsons fest, daß der Mann tot war. Tot – und irgendwie im Innern des Quaders konserviert. Es war groß, kräftig gebaut, mit einem muskulösen, glänzenden, kupferfarbenen Rumpf. Sein nackter Körper wurde von diesem Miniatur-Seelenquader, von dieser kleinen Version des großen, offiziellen Quaders am Quell vor der Verwesung bewahrt.
    Statt hundert Milliarden Zygoten und entwickelter Embryos enthielt dieser kleine Quader den konservierten Körper eines einzelnen Menschen, eines voll entwickelten Mannes, der vielleicht dreißig Jahre alt sein mochte.
    »Ihr Ehemann?« fragte Parsons Loris, ohne zu überlegen.
    »Nein. Wir haben keine Ehemänner.« Loris starrte den Mann mit großer Gemütsbewegung an. Sie schien sich einer anschwellenden Flut von Gefühlen kaum erwehren zu können.
    »Sie hatten eine emotionelle Beziehung? Er war Ihr Liebhaber?« beharrte Parsons.
    Loris schüttelte sich, lachte dann plötzlich. »Nein, nicht mein Liebhaber.« Ihr ganzer Körper schwankte und zitterte, als sie sich die Stirn rieb und sich für einen Moment abwandte. »Obwohl wir natürlich Liebhaber haben. Eine ganze Menge sogar. Die sexuelle Betätigung geht unabhängig von der Vermehrung weiter.« Sie schien nahezu in Trance zu sein. Ihre Worte kamen langsam, waren tonlos.
    Helmar bewegte sich in seinem Sessel und sagte: »Gehen Sie näher heran, Doktor. Sie werden sehen, wie er seinem Tod begegnet ist.«
    Parsons stand auf und ging auf die Wand zu. Was zuerst wie ein kleiner Fleck auf der linken Brust des Mannes ausgesehen hatte, stellte sich als etwas ganz anderes heraus. Das hier war zweifellos die Todesursache. Wie fehl am Platz in dieser Welt, dachte Parsons. Verwundert starrte er darauf. Aber es bestand kein Zweifel.
    Aus der Brust des Toten ragte der gefiederte, eingekerbte Schaft eines Pfeiles.

 
9
     
    Auf ein Zeichen von Loris näherte sich Parsons ein Diener. Er verbeugte sich steif und stellte einen Gegenstand vor Parsons ab, den dieser sofort erkannte. Obwohl verbeult und befleckt, war er immer noch vertraut. Sein grauer Instrumentenkoffer.
    »Wir waren nicht in der Lage, Sie zu holen«, sagte Helmar, »aber wir haben es geschafft, dies hier aufzugabeln. In der Hotelhalle. In dem Durcheinander, als man begriff, daß sich das Mädchenerholen würde.«
    Voller Spannung sahen sie zu, wie er den Koffer öffnete und den Inhalt begutachtete.
    »Wir haben diese Instrumente untersucht«, sagte Loris über seine Schulter hinweg. »Aber keiner unserer Techniker konnte mit ihnen umgehen. Unsere Bildung stellt uns nicht das dafür nötige geistige Rüstzeug zur Verfügung – uns fehlen die grundlegenden Prinzipien. Wenn Sie nicht alles haben, was Sie brauchen, können wir Sie mit weiterem medizinischen Material versorgen, das wir aus der Vergangenheit gebaggert haben. Ursprünglich haben wir geglaubt, wir könnten selbst Gebrauch von dem Material machen, nachdem wir es in unseren Besitz gebracht hatten.«
    Parsons sagte: »Wie lange ist dieser Mann schon im Quader?«
    »Er ist seit fünfunddreißig Jahren tot«, antwortete Loris nüchtern.
    »Sobald ich ihn untersucht habe, werde ich mehr wissen. Können Sie ihn aus der Kältekonservierung herausholen?« sagte Parsons.
    »Ja«, erwiderte Helmar. »Allerdings nicht länger als jeweils für eine halbe Stunde.«
    »Das müßte reichen«, meinte Parsons.
    Fast gleichzeitig sagten Helmar und Loris: »Dann werden Sie es also tun?«
    »Ich werde es versuchen«, antwortete er.
    Eine Woge der Erleichterung strahlte von ihnen aus; sie entspannten sich und lächelten ihn an. Die Spannung im Raum ließ nach.
    »Gibt es irgendeinen Grund«, wollte Parsons wissen, »weshalb Sie mir nicht sagen können, was für eine Beziehung Sie zu diesem Mann haben?« Er sah Loris direkt an.
    Nach einer Pause antwortete sie: »Er ist mein Vater.«
    Für einen Moment erkannte er die Bedeutung dessen nicht. Und dann dachte er: Aber woher kann sie das wissen?
    Loris sagte: »Ich würde es vorziehen, Ihnen nicht mehr zu sagen. Wenigstens nicht jetzt. Später.« Die Situation schien sie erschöpft zu haben. »Ich werde Sie von einem

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