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Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Diener in Ihr Apartment bringen lassen, und dann können wir vielleicht …« Sie blickte auf den Mann im Quader. »Vielleicht können Sie dann mit seiner Untersuchung beginnen.«
    »Ich würde mich vorher gern noch eine Weile ausruhen«, sagte Parsons. »Nach einem guten Schlaf bin ich wieder in besserer Form.«
    Ihre Enttäuschung war deutlich zu sehen. Aber gleich darauf nickte Loris. Helmar schloß sich nach einigem Zögern an. »Natürlich«, sagte sie.
    Ein Diener kam und führte ihn zu seinem Apartment. Er trug Parsons grauen Koffer und schritt voraus, eine breite Treppenflucht hinauf. Einmal blickte der Mann zurück, sagte jedoch nichts. Schweigend erreichten sie das Apartment, der Diener hielt Parsons die Tür auf, und er trat ein. Was für ein Luxus, dachte er. Zweifellos war er in diesem Landhaus der Ehrengast.
    Und das aus gutem Grund!
    An diesem Abend erfuhr er beim Essen von Loris und Helmar Einzelheiten zu ihrem Landhaus. Sie befanden sich hier etwas niemals zwanzig Meilen von der Stadt entfernt, die er zuerst kennengelernt hatte, der Hauptstadt, in der Seelenquader und Quell gelegen waren. Hier im Landhaus lebte Loris als die Mutter Oberin mit ihrem Gefolge. Wie eine große, üppige Bienenkönigin in ihrem geschäftigen Stock, dachte Parsons. Dies hier war heiliges Land; außerhalb davon erstreckte sich das von der Regierung kontrollierte Gebiet. Das Landhaus war – vergleichbar einer römischen Domäne – autark, wirtschaftlich und materiell unabhängig. Unter dem Gebäude gab es gewaltige Turbinen und ein Jahrhundert alte Atomgeneratoren. Er hatte kurz die unterirdische Landschaft von Antriebsketten und schwirrenden Kugeln zu Gesicht bekommen, in manchen Fällen auch rostbedeckte Massen von Maschinen, die es nach wie vor fertigbrachten, zu dröhnen und zu stampfen. Als er versucht hatte, weiter vorzudringen, war er von bewaffneten Wächtern, Jünglingen, die das bekannte Wolfs-Emblem trugen, freundlich, aber bestimmt abgewiesen worden.
    Nahrung wurde in unterirdischen Chemie-Tanks künstlich gezüchtet. Kleidung und Möbel wurden von Robotern, die irgendwo auf diesem Gelände arbeiteten, aus Plastik-Rohmaterialien hergestellt. Baumaterial, industrielle Nachschubgüter, alles, was gebraucht wurde, wurde auf dem Gelände des Landhauses hergestellt und repariert. Eine vollständige Welt, deren Herz, wie bei der Stadt, der Quader war. Die Miniatur-›Seele‹, mit der er bald arbeiten würde. Ihm brauchte nicht gesagt zu werden, wie sorgfältig das Geheimnis ihrer Existenz gehütet wurde. Wahrscheinlich wußten nur einige wenige Personen davon; wahrscheinlich nicht mehr als ein Bruchteil derjenigen, die in dem Landhaus wohnten und arbeiteten. Und wie viele von ihnen verstanden ihre Aufgabe, den Grund ihrer Existenz? Vielleicht wußten das nur Loris und Helmar. Als sie bei Tisch saßen und Kaffee mit Cognak tranken, fragte er Helmar direkt: »Sind Sie mit Loris verwandt?«
    »Warum fragen Sie?« sagte Helmar.
    »Sie gleichen dem Mann im Quader – ihrem Vater. Und Sie gleichen ihr … ein wenig.«
    Helmar schüttelte den Kopf. »Wir sind nicht miteinander verwandt.« Seine frühere Erregung und sein Eifer waren jetzt von Höflichkeit überdeckt. Und doch fühlte Parsons, daß beides noch da war, noch schwelte.
    Es gab so viele Dinge, die Parsons nicht verstand. Zuviel, stellte er fest, wurde zurückgehalten. Er hatte das Offensichtliche akzeptiert: Loris und Helmar handelten illegal, taten das bereits seit einiger Zeit. Der bloße Besitz des Miniatur-Quaders war eindeutig ein Verbrechen allererster Größe. Die Bewahrung des Körpers, der Versuch, ihn wieder zum Leben zu erwecken – all das war Teil eines sorgfältig konstruierten und gehüteten Planes, von dem die Regierung und bestimmt auch die anderen Stämme nichts wußten.
    Er konnte Loris’ Wunsch, ihren Vater wieder lebendig zu sehen, verstehen. Das war eine natürliche Empfindung, möglicherweise allen Kulturen gemeinsam, seine eigene eingeschlossen. Er verstand die komplizierten Schachzüge, die sie bei dem Versuch, diesen Wunsch zu realisieren, unternommen hatte. Mit ihrem großen Einfluß und ihrer Macht konnte es tatsächlich möglich sein, dies zu schaffen – so sehr es allem entgegenstand, wofür diese Gesellschaft eintrat. Schließlich war der Mann während Loris’ ganzem bisherigen Leben vor der Verwesung bewahrt worden. Der Quader, das gesamte Anwesen waren für diese Aufgabe eingespannt. Die Entwicklung und der Gebrauch des

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