Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
zurück. Dort am Strand wartete Stenog mit seinen Männern auf Corith. Aus dem Sand hatten sie das herausgefischt, was sie gesucht hatten: eine tödliche, schimmernde, kleine Waffe.
    Sie hatten es geschafft, die Zeitreise-Experimente zu Ende zu führen.
    Parsons packte Wurzeln und Zweige und krabbelte die Klippenwand hinauf. Ich muß ihn zuerst erreichen, dachte er. Ich muß ihn warnen. Steine polterten unter ihm weg, er fiel der Länge nach hin, rutschte zurück, klammerte sich irgendwo fest und hastete weiter den Abhang hinauf.
    Die Gestalten unten wurden kleiner und machten keine Anstalten, ihm zu folgen.
    Warum erschießen sie mich nicht, fragte er sich.
    Im nächsten Augenblick schob er sich hinter einen Felsvorsprung und ruhte sich keuchend eine Minute lang aus, war außer Sicht, geschützt. Aber er durfte keine Zeit verlieren, durfte Stenog nicht unterschätzen. Deshalb riß er sich zusammen, ergriff eine Baumwurzel und kletterte weiter.
    Warum sind sie dermaßen sicher, daß ich ihn nicht aufhalten kann, wunderte er sich. Ist sein Schicksal vorherbestimmt, wird er auf jeden Fall getötet, ganz egal, was ich mache?
    Werde ich versagen?
    Als er wenig später die Hand ausstreckte, konnte er das Gras des Klippenkamms packen und war in der Lage, sich auf ebenen Boden hinaufzuwälzen. Aber sofort stand Parsons wieder auf den Füßen.
    Wo war Corith?
    Er mußte irgendwo ganz in der Nähe sein.
    Vor Parsons wuchsen Bäume, ein Hain windgebeugter Föhren. Er stürmte nach Atem ringend weiter, rannte zwischen den Bäumen umher und suchte nach Corith.
    Ich kann Stenog keinen Vorwurf machen, dachte er. Stenog schützt seine Gesellschaft, das ist seine Pflicht.
    Und dies hier ist meine Pflicht, begriff er. Ich muß meinen Patienten retten, den Mann, zu dessen Hilfe ich herbeigerufen worden bin.
    Er hielt an, außer Atem, unfähig weiterzulaufen. Er ließ sich in das feuchte Gras fallen, setzte sich in den Schatten und wollte nur noch ausruhen und sich erholen. Seine Pelzkleider waren von der Kletterpartie an der Felswand zerrissen. Blutstropfen sickerten aus kleinen Wunden an seinen Armen, und er wischte sie im Gras ab.
    Grotesk, dachte er. Da ist auf der einen Seite Stenog, der seine dunkle Haut hell gefärbt hat und sich als Weißer verkleidet, und auf der anderen Seite bin ich, der ich mich mit meiner dunkel gefärbten weißen Haut als Indianer verkleide.
    Ein weißer Mann ist entschlossen, Corith dabei zu helfen, Drake zu töten, und auf der anderen Seite nimmt Stenog Drakes Stelle ein. Aber vielleicht ist er überhaupt nicht in Drakes Rolle geschlüpft, sondern tatsächlich Drake. Gibt es einen echten Drake? Oder ist Stenog Drake? Hat es je einen anderen Mann gegeben, der wirklich im England des frühen sechzehnten Jahrhunderts als Francis Drake geboren worden ist? Oder ist immer nur Stenog Drake gewesen? Gibt es in diesem Spiel gar keinen zweiten Mann?
    Und wenn es einen anderen Drake gibt, einen echten Drake, wo ist er dann?
    Eines wußte er: Der Stich und das Porträt waren statt mit Drake mit einem bärtigen und hellhäutigen Al Stenog als Modell angefertigt worden. Also war Stenog – nicht Drake – mit der Beute aus der Neuen Welt zurückgekehrt und von der Queen zum Ritter geschlagen worden. Aber ist Stenog dann für den Rest seines Lebens Drake geblieben?
    Hatte Stenog später im Krieg gegen Spanien die spanischen Kriegsschiffe bekämpft?
    Wer war der große Navigator? Drake oder Stenog?
    Eine Eingebung … Die Heldentaten dieser Entdecker, die phantastischen Seefahrten und der Mut … Jeder einzelne von ihnen: Cortez, Pizarro, Cabrillo … jeder ein aus der Zukunft in die Vergangenheit verpflanzter Mensch, ein Betrüger, der Ausrüstungsgegenstände aus der Zukunft benutzte.
    Kein Wunder, daß eine Handvoll Männer Peru erobert hatte und eine weitere Handvoll Mexiko.
    Aber er wußte es nicht definitiv. Wenn Corith bei seinem Vorhaben, Drake zu töten, ums Leben kam, dann würde es für Stenog, für die Regierung der Zukunft, keinen Grund mehr geben weiterzumachen. Dieser Mann konnte nur einmal sterben.
    Parsons kam zitternd auf die Füße. Er setzte sich in Bewegung, ging langsam, schonte seine Kräfte. Der Mann muß hier irgendwo sein, dachte er. Wenn ich weitersuche, muß ich ihn irgendwann finden. Ich habe keinen Grund, panisch zu reagieren, es ist nur eine Frage der Zeit.
    Vor ihm bewegte sich jemand zwischen den Bäumen.
    Vorsichtig näherte er sich. Er sah mehrere Gestalten … rötliche Haut, Felle.

Weitere Kostenlose Bücher