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Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Felsenabhang, kauerte eine weitere Gruppe. Durch das Glas identifizierte er wieder Loris, und auch Helmar und die anderen waren bei ihr. Weiter konnte er nicht sehen. »Wo ist dein Vater?« fragte er Loris.
    »Er hat Nixina und Jepthe beim Zeitschiff verlassen«, sagte sie tonlos. »Während er die Klippe entlangging, sollte sie dort warten. Eine lange Zeit verloren sie ihn aus den Augen. Als er wieder auftauchte, trug er sein Kostüm und hatte ein Drittel des Klippenabhangs hinter sich gebracht. Er verschwand hinter ein paar Felsen, und dann …« Ihre Stimme brach. Gleich darauf fuhr sie fort: »Jedenfalls sahen sie ihn für eine kurze Sekunde lang aufspringen und dann mit einem Schrei kopfüber umkippen. Ob ihn der Pfeil in diesem Augenblick bereits getroffen hatte, wissen wir nicht. Als nächstes sahen sie ihn hangabwärts rollen, bis er an einem Gestrüpp hängenblieb, das aus der Klippenwand rankte. Sie eilten zum Abgrund und schafften es, zu ihm hinunterzuklettern. Und als sie ihn endlich erreichten, sahen sie den Pfeil, der in seinem Herz steckte.«
    Sie unterbrach ihren Bericht, und Helmar führte ihn zu Ende: »Außer unserem Vater sahen sie niemanden. Aber natürlich waren sie zu sehr damit beschäftigt, das Schiff nahe genug heranzumanövrieren, um ihn an Bord bringen zu können. Mit viel Glück gelang es ihnen, das Schiff auf dem Klippenhang zu landen, und sie unterstützten dieses Manöver, indem sie die Düsen zündeten, bis sie ihn schließlich in Sicherheit gebracht hatten.«
    »War er tot?« fragte Parsons.
    »Er lag im Sterben«, sagte sie nüchtern. »Er hat noch mehrere Minuten lang gelebt, aber er war nicht mehr bei Bewußtsein.«
    Loris berührte Parsons Arm. »Sieh noch einmal hinunter.«
    Wieder betrachtete er den Estero tief unten.
    Ein kleines Boot mit fünf Männern darin war jetzt auf der anderen Seite des kielgelegten Schiffes zu sehen. Gleichmäßig zog es dahin, von vier Männern mit langen Rudern gepullt. Der fünfte Mann, ein Bartträger, hielt einen Metallgegenstand in der Hand.
    Parsons sah ihn in der Sonne blinken.
    Dieser Mann war Drake.
    Ja, dachte Parsons, aber ist es Stenog? Er sah nur den Kopf, den Bart, die Kleider des Mannes, das Gesicht war verdeckt, und auf diese Entfernung wären sowieso keine weiteren Einzelheiten erkennbar gewesen. Wenn es Stenog ist, sagte er sich, dann ist das hier eine Falle, ein Täuschungsmanöver. Sie erwarten uns, und sie haben Waffen, die den unseren ebenbürtig sind.
    »Wie sieht ihre Bewaffnung aus?« fragte er.
    Loris sagte: »Uns ist natürlich klar, daß sie Entermesser tragen. Und sie haben Drehschloßgewehre oder möglicherweise die älteren Luntenschloßgewehre. Es ist auch möglich, daß ein paar Flinten Spiralzüge im Lauf haben, aber das ist nur eine Vermutung. Jedenfalls können sie auf diese Distanz unmöglich treffen. Dann wären da noch ein paar Kanonen, die vom Schiff geholt worden sind – oder besser: Wir nehmen an, daß es sie gibt. Am Strand haben wir sie allerdings nirgends gesehen, und wenn sie noch an Bord des Schiffes sind, so können sie gewiß nicht abgefeuert werden. Nicht solange das Schiff auf der Seite liegt. Sie haben alles Erdenkliche heruntergeholt und das Schiff erleichtert, damit es so wenig wie möglich Wasser ziehen kann. Aber wie auch immer – sie haben noch nie auf uns geschossen, weder mit Handfeuerwaffen noch mit einer Kanone.«
    Das brauchen sie auch nicht, dachte Parsons. Wenigstens nicht mit den Waffen, die Loris bei ihnen vermutet. Laut sagte er: »Also ist Corith in der Annahme die Klippe hinuntergestiegen, er sei nicht in Gefahr.«
    »Ja«, sagte sie. »Und Drakes Männer würden wohl kaum eine indianische Waffe benutzen, oder?« Zweifel und Verwirrung zitterten in ihrer Stimme und waren gleichzeitig auch in ihrem Gesicht zu sehen. Diese Katastrophe ergab für sie keinen Sinn, nach wie vor überstieg sie ihr Begriffsvermögen. Mit den Informationen, die sie hatten, konnten sie nicht damit klarkommen. »Und warum sollte ein Eingeborener ihn töten?« fragte Loris.
    Unter ihnen hatte das kleine Boot von der Golden Hind abgelegt und glitt allmählich nach Süden, in ihre Richtung. Bald würde es direkt unterhalb ihres Standortes vorbeikommen.
    »Ich gehe hinunter«, sagte Parsons. Er gab ihr den Feldstecher, nahm die Seilrolle, die sie mitgebracht hatten, und schlang das lose Ende um einen fest im Boden verankerten Felsen. Helmar war ihm dabei behilflich, und gemeinsam knüpften sie das Seil fest.

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