Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber – dem lebenden Corith. Zum ersten Mal.
    Aber wird das auch das letzte Mal sein, fragte er sich.
     
    Als Corith ihn sah, steckte er den Feldstecher in sein Bündel zurück. Er wirkte nicht erschrocken; in seinem Gesicht zeigte sich keine Furcht. Die Augen des Mannes funkelten, der Mund war leicht geöffnet, die Zähne waren fast zu einem Lächeln entblößt. Plötzlich sprang er auf und verschwand über den Klippenrand.
    »Corith!« rief Parsons. Der Wind peitschte seine Stimme zu ihm zurück. Seine Lungen brannten, als er die Stelle erreichte, an der Corith verschwunden war. Er ließ sich fallen und sah nur noch lockeres Gestein nachrutschen. Der Fanatische, gerissene Attentäter war entkommen. Ihn interessierte nicht, wer Parsons war oder weshalb er ihn suchte, er machte sich nicht einmal etwas aus seiner Anwesenheit oder woher er seinen Namen kannte.
    Corith hatte nicht vor, sich von irgend jemandem aufhalten zu lassen. Er konnte dieses Risiko nicht eingehen.
    Parsons machte sich an die Verfolgung, arbeitete sich hinunter und dachte: Ich habe ihn aus den Augen verloren. Sein Vorsprung ist viel zu groß.
    Warum war ich mir nur so sicher, ich könnte ihn aufhalten, fragte er sich. Ausgerechnet ich, nachdem vor mir doch alle anderen versagt haben … Seine Mutter, sein Sohn, seine Frau, seine Tochter – seine ganze Familie, der Wolfs-Clan.
    Halb rutschend, halb fallend erreichte er einen Vorsprung und hielt an. Von dem anderen Mann konnte er nirgends eine Spur entdecken.
    In der Tiefe unten war das kleine Boot noch immer, unerreichbar für die Brandung, an Land gezogen. Die fünf Männer hatten sich um ihre Waffen herum versammelt und verbargen sie hierdurch. Der bärtige Mann schlenderte davon, blickte hoch, schlenderte weiter. Tut so, als ob er von nichts wüßte, dachte Parsons. Er spielt den Lockvogel.
    Parsons hielt sich an seinem Felsengrat fest und kletterte vorsichtig weiter, das Gesicht der Klippe zugewandt, und …
    Ein paar Meter von ihm entfernt hockte Corith. Seine unbarmherzigen Blicke bohrten sich in Parsons Augen, sein Gesicht war gerötet, brannte vor Überzeugung. Corith hielt ein Energierohr in den Händen, eine verlängerte Version der Waffe, die Parsons mittlerweile bereits gut genug kannte. Er hatte zweifellos vor, Drake damit zu töten.
    »Sie haben meinen Namen gerufen«, sagte Corith.
    Parsons erwiderte: »Gehen Sie nicht dort hinunter.«
    »Woher kennen Sie meinen Namen?«
    »Ich kenne Ihre Mutter«, antwortete er. »Nixina. Und Ihre Frau Jepthe.«
    »Ich habe Sie noch nie gesehen«, brummte Corith. Seine Augen flackerten, und er betrachtete Parsons eingehend, wobei er sich die Unterlippe befeuchtete. Sprungbereit, stellte Parsons fest. Bereit, zur Seite zu springen und die Klippe hinunter zu fliehen. Aber zuerst wird er mich mit diesem Energierohr umbringen, dachte er.
    »Ich will Sie warnen«, sagte Parsons. Er fühlte sich benommen. Für einen Moment wirbelten schwarze Flocken vor seinen Augen, und die Klippe wankte und schien zurückzuweichen. Der Glanz der Sonne, der schneeweiße Sand, der Ozean … Er saß zusammengekauert da und lauschte dem Geräusch der Brandung. Trotzdem konnte er Coriths Atem hören, rasche, krampfhafte Keuchlaute.
    »Wer sind Sie?« fragte Corith.
    »Sie kennen mich nicht«, sagte er.
    »Warum soll ich nicht hinuntergehen?«
    »Es ist eine Falle. Man erwartet Sie.«
    Das massige Gesicht bebte. Corith hob die Röhre. »Das spielt keine Rolle.«
    »Sie besitzen die gleichen Waffen wie Sie«, sagte Parsons.
    »Nein«, stieß Corith hervor, »nur Drehschloßgewehre.«
    »Das dort unten ist nicht Drake.«
    Jetzt flammten die schwarzen Augen zornig auf, das Gesicht verzerrte sich.
    Parsons sagte eindringlich: »Der Mann da unten ist Al Stenog.«
    Corith schwieg, reagierte überhaupt nicht.
    »Der Direktor des Quells«, fügte Parsons hinzu.
    Nach einer langen Zeit gab Corith zurück: »Der Direktor des Quells ist eine Frau namens Lu Farns.«
    Parsons stockte der Atem.
    »Sie lügen mich an«, sagte Corith. »Ich habe noch nie von jemandem namens Stenog gehört.«
    Geduckt kauerten sie vor der Felswand der Klippe und sahen einander stumm an.
    »Ihre Sprache«, sagte Corith. »Sie reden mit Akzent.«
    Parsons Gedanken rasten. Diese ganze Sache trug den Hauch von Wahnsinn in sich. Wer war Lu Farns? Warum hatte Corith noch nie von Stenog gehört? Und dann begriff er.
    Seit Coriths Tod waren fünfunddreißig Jahre vergangen, und

Weitere Kostenlose Bücher