Schachfigur im Zeitspiel
jetzt gleich, und wenn sie es herausfinden …
Er preßte sich gegen den Fels und kroch davon, fort von dem sterbenden Mann, bis weder die Frau noch Corith mehr zu sehen war. Dann begann er hastig, die Klippe hinaufzusteigen.
Er kam oben an, und niemand war in Sicht. Sie waren zu Corith hinuntergeklettert, aber bald würden sie wieder hier oben auftauchen.
Mit leerem Verstand lief er von der Klippe weg und auf den Föhrenhain zu. Gleich darauf hatte er sein Ziel erreicht und tauchte darin unter. In Sicherheit, dachte er. Niemand wird es erfahren. Jetzt werden sie es nie erfahren.
Das Geheimnis seines Todes … Sie werden es nie herausfinden.
Ich habe es nicht mit Absicht getan, dachte er, aber das macht überhaupt keinen Unterschied. Kein Wunder, daß Stenog gelacht hat. Er wußte, daß ich es sein würde, der Corith tötet.
Er hielt an und stand da, und seine Gedanken rasten wie wild.
Ich kann zu Loris und Helmar zurückkehren, entschied er. Ich kann ihnen erzählen, daß ich nur das gleiche wie sie gesehen habe – Corith an der Klippe … Wie er hinuntergestiegen und dann gestorben ist. Und daß außer ihm weit und breit niemand in der Nähe war. Niemand ist die Klippe von unten heraufgekommen. Die einzigen, die ich gesehen habe, waren Jepthe und Nixina. Ich weiß auch nicht mehr als sie.
Und Corith wird es nie erzählen, weil er tot ist.
Er versteckte sich, als er Stimmen hörte, und sah Nixina und Jepthe durch den Hain zu ihrem Zeitschiff eilen, die Gesichter düster vor Kummer. Sie würden das Schiff holen, ihn bergen und zurückbringen und in die Vereisung legen.
Corith ist tot, aber in fünfunddreißig Jahren wird er ins Leben zurückgeholt werden. Ich werde ihn ins Leben zurückholen. Dort, in diesem Landhaus, werde ich für seine Wiedergeburt verantwortlich sein.
Er wußte jetzt, weshalb der zweite Pfeil in Coriths Brust gerammt worden war, weshalb er nicht am Leben geblieben war.
Das erste Mal hatte er Corith zufällig getötet, aber das zweite Mal nicht mehr … Das würde in voller Absicht geschehen.
Ich muß in dieser Nacht mit einem der Zeitschiffe zurückgekommen sein, wurde ihm klar. Nachdem ich Corith wiederbelebt hatte, während er bewußtlos war und sich erholte. Während ich bei Loris war, war ich gleichzeitig auch bei ihm unten.
Aber warum habe ich es wieder mit einem Pfeil getan?
Er schaute auf seine Hand hinunter, und dort hielt er noch immer einen Pfeil umklammert. Selbst als er die Klippe hinaufgeklettert war, hatte er ihn festgehalten. Warum, fragte er sich.
Weil mir die Pfeile das Leben gerettet haben. Wenn ich sie nicht gehabt hätte, dann hätte mich Corith getötet. Ich habe mich verteidigt.
Eine andere Wahl hatte es nicht gegeben.
Und doch verspürte er jetzt Angst, den Schrecken der Verantwortlichkeit. Er war in die Falle getappt, war gegen seinen Willen hineingezogen worden … Corith hatte ihn angesprungen, und er hatte nur versucht, sich zu schützen.
Was hätte ich sonst tun können? fragte er sich. Bestimmt war es nicht meine Schuld. Aber wenn es nicht meine Schuld war, wessen Schuld dann?
War er wirklich für dieses Verbrechen verantwortlich? Und es war ein Verbrechen … Jeder Mord ist ein Verbrechen. Ich bin Arzt, sagte er sich. Es ist meine Pflicht, Menschenleben zu retten – und insbesondere das Leben dieses Mannes.
Selbst um den Preis meines eigenen Lebens? Denn wenn ich ihn im Landhaus wiederbelebe, wird er auf mich zeigen. Und ich werde keine Chance haben, weil ich von all dem noch nichts weiß, weil dies hier für mich noch gar nicht geschehen ist …
15
Parsons stand einsam im Schatten des Hains und dachte: Ich bin der Mann, nach dem sie seit fünfunddreißig Jahren suchen.
Die Leute im Landhaus würden ihn töten, sobald Corith auf ihn zeigte, sie würden keine Gnade walten lassen – und warum sollten sie auch?
Hatte er Gnade walten lassen?
Vielleicht konnte er die ganze Sequenz an irgendeiner Stelle unterbrechen … Mich selbst einholen, bevor ich hierherkomme, dachte er. Bevor ich ihn das erstemal töte.
Ein metallisches Objekt stieg aus dem Wald empor, flog über ihn hinweg und zu den Klippen. Dort sank es nieder, und er hörte die Düsen brüllen, mit denen seine Landung neben Corith stabilisiert wurde. Die alte Frau und ihre Tochter waren gekommen, um den Sterbenden zu holen.
Er rief sich ins Bewußtsein, daß in seiner Umgebung drei weitere Zeitschiffe existierten – vier, wenn er das von Stenog mitzählte. Dieses hier war
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