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Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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geschwollen, wo der Ring an Earls kleinem Finger sie aufgerissen hatte, und auf meiner linken Kieferhälfte prangte ein blutunterlaufener Fleck, von dem sich ein Adernetz feiner roter Linien wie auf einer gesprungenen Eierschale über die Backe bis zu meinem Auge hinaufzog.
    Ich probierte es mit Make-up. Es war ziemlich transparent und konnte den Bluterguss nicht annähernd kaschieren, ließ jedoch die spinnwebartigen roten Linien verschwinden. Üppig aufgetragener Lidschatten verdeckte die ersten Anzeichen eines blauen Auges, und ein dunkles Lippenrot, mit dem ich verschwenderischer umging als gewöhnlich, ließ meine geschwollene Lippe aufgeworfen und sexy erscheinen - zumindest bei gedämpftem Licht.
    Meine Beine waren ganz steif geworden, doch offenbar zahlten sich meine täglichen Joggingrunden aus: Ich bewältigte die Treppe zwar etwas zittrig, aber problemlos. In der Haisted Street nahm ich ein vorbeifahrendes Taxi, das mich um 20 Uhr 25 vor dem Hanover House Hotel in der Oak Street absetzte.
    Es war mein erster Besuch im Cartwheel. Für mich stellte es das typische sterile Restaurant dar, das von oberflächlichen Leuten der North Side mit mehr Geld als Lebensart als Speiselokal bevorzugt wurde. In der schummrigen Bar spielte ein Piano mit zu laut eingestellten Verstärkern Melodien, die den Augen von Yale-Absolventen Tränen entlocken konnten. Wie immer am Freitagabend war es sehr voll. Ralph saß mit einem Drink am Ende der Bar. Bei meinem Eintreten sah er mich an, lächelte, winkte vage mit der Hand, stand aber nicht auf. Ich konzentrierte mich auf einen gleichmäßigen Gang und bahnte mir einen Weg zu seinem Platz. Er blickte auf die Uhr. »Gerade noch die Kurve gekratzt.«
    In mehr als einer Beziehung, dachte ich. »Oh, Sie wären doch niemals gegangen, ohne Ihr Glas auszutrinken.« Es gab keine freien Barhocker. »Wie wär's, wenn Sie sich als großzügiger Mensch erweisen und mir Ihren Platz und einen Scotch anbieten würden?«
    Er grinste und griff nach mir in der Absicht, mich auf seinen Schoß zu ziehen. Ein rasender Schmerz durchzuckte meinen Brustkorb. »Oh, um Himmels willen nicht, Ralph!«
    Sogleich ließ er mich los, stand stocksteif und stumm auf und bot mir den Barhocker an. Ich stand da und kam mir dämlich vor. Szenen sind mir verhasst, und mir stand nicht der Sinn danach, meine Energie zu verschwenden, um Ralph zu beruhigen. Er machte den Eindruck, als habe er ein sonniges Gemüt.
    Vielleicht hatte ihn seine Scheidung im Umgang mit Frauen unsicher gemacht. Ich erkannte, dass ich ihm die Wahrheit sagen und mit seinem Mitgefühl vorlieb nehmen musste. Andererseits wollte ich ihm nicht eröffnen, wie übel mir Smeissen am Nachmittag mitgespielt hatte. Es war kein Trost, dass auch er ein bis zwei Tage schmerzgeplagt herumhumpeln würde.
    Ich konzentrierte meine Aufmerksamkeit wieder auf Ralph. »Soll ich Sie lieber nach Hause bringen?«, fragte er gerade.

    »Ralph, ich hätte gern die Möglichkeit, Ihnen ein paar Dinge zu erklären. Ich weiß, dass es so aussieht, als wäre ich nur ungern hier, nachdem ich eine volle Stunde zu spät gekommen bin. Sind Sie zu verärgert, um mir zuzuhören?«
    »Keineswegs«, erwiderte er höflich.
    »Gut. Könnten wir dann irgendwo hingehen und uns setzen? Es ist ein bisschen verwirrend und auch zu anstrengend, so etwas im Stehen zu erledigen.«
    »Ich kümmere mich um unseren Tisch.« Während er sich entfernte, sank ich dankbar auf den Barhocker und bestellte einen Johnnie Walker Black. Wie viele von der Sorte konnte ich wohl trinken, bevor sie sich mit meinen strapazierten Muskeln verbündeten und mich in Schlaf versetzten?
    Ralph kam mit der Nachricht zurück, dass wir noch gute zehn Minuten auf unseren Tisch zu warten hätten. Die zehn dehnten sich zu zwanzig, während ich dort saß, die gesunde Seite meines Kinns in die Hand gestützt, und er steif hinter mir stand. Ich nippte an meinem Scotch. Durch die Klimaanlage war es in der Bar übermäßig kühl. Im Normalfall hätte der schwere Baumwollstoff meines Kleides mehr als ausgereicht, mich warm zu halten, doch nun begann ich leicht zu frösteln.
    »Kalt?«, fragte Ralph.
    »Ein bisschen«, gab ich zu.
    »Ich könnte ja meinen Arm um Sie legen«, bot er vorsichtig an.
    Lächelnd sah ich zu ihm auf. »Das wäre sehr lieb«, erwiderte ich. »Aber sanft, wenn ich bitten darf.«
    Er nahm mich in die Arme und kreuzte sie über meiner Brust. Am Anfang zuckte ich ein wenig zusammen, aber die Wärme und der Druck

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