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Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Verbindungen zur Unterwelt. Sie hatten in den Wirren der dreißiger Jahre Schlägertrupps angemietet und waren sie seither nicht mehr losgeworden. Das hatte zu Korruption bei Wahlen und im finanziellen Bereich geführt und - und ganz plötzlich dämmerte mir, wer mein entfleuchter Mandant war, weshalb mir Anita McGraws Name bekannt vorkam und der Typ ausgerechnet mich aus den Gelben Seiten herausgefischt hatte. Ich lehnte mich noch bequemer in meinen Stuhl zurück und sagte kein Sterbenswort.
    Mallorys Gesicht lief rot an. »Vicki, wenn du mir in diesem Fall in die Quere kommst, bringe ich dich zu deinem eigenen Besten hinter Gitter!« Er stand so wütend auf, dass sein Stuhl umkippte. Dann nickte er Sergeant McGonnigal zu, und kurz darauf knallte die Tür hinter ihnen ins Schloss.
    Ich goss mir noch eine Tasse Kaffee ein und nahm sie mit ins Bad, wo ich sehr heißes Wasser in die Wanne einlaufen ließ, versetzt mit einer großzügig bemessenen Dosis Azuree-Badesalz. Als ich wohlig hineinsank und sich die Nachwirkungen meiner mitternächtlichen Trinkerei allmählich aus meinen Knochen verzogen, entsann ich mich einer Nacht vor mehr als zwanzig Jahren. Meine Mutter war dabei, mich ins Bett zu bringen, als es läutete und der Mann aus der Wohnung unter uns hereintaumelte, ein stämmiger Mann, etwa im gleichen Alter wie mein Vater, vielleicht eher jünger. Kleinen Mädchen erscheinen alle wuchtigen Männer alt. Ich hatte heimlich aus der Tür gespäht, weil sich alles in Aufruhr befand, und gerade noch gesehen, dass er blutüberströmt war, bevor meine Mutter auf mich zustürzte und mich ins Schlafzimmer zurückscheuchte. Sie blieb dort bei mir, und wir beide hörten Bruchstücke der Unterhaltung: Auf den Mann hatte man geschossen - vermutlich von der Firmenleitung angeheuerte Gangster aber er wagte nicht zur Polizei zu gehen, weil er ebenfalls organisierte Verbrecher gedungen hatte, und ob Dad ihm helfen würde.
    Tony versorgte die Wunde. Dann aber tat er etwas sehr Ungewöhnliches für einen sonst so sanftmütigen Menschen: Er befahl dem Verletzten nämlich, aus der Gegend zu verschwinden und sich nie mehr bei uns blicken zu lassen. Der Mann war Andrew McGraw.
    Ich hatte ihn niemals mehr gesehen und ihn auch nie mit dem McGraw in Verbindung gebracht, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt als Präsident der Sektion 108 und damit praktisch der gesamten Gewerkschaft fungierte. Offensichtlich hatte er sich an meinen Vater erinnert. Ich vermutete, dass er versucht hatte, Tony über die Polizei zu erreichen. Als er vom Tod meines Vaters erfuhr, griff er mich aus den Gelben Seiten heraus, in der Annahme, ich sei Tonys Sohn. Nun, das war ein Irrtum: Ich war seine Tochter, und mit mir war nicht so gut Kirschen essen wie mit meinem Vater. Ich habe die Energie meiner italienischen Mutter geerbt, und ich bin bestrebt, ihrem Grundsatz nachzueifern, Schwierigkeiten bis zum Ende durchzustehen. Aber von meinen persönlichen Eigenschaften einmal abgesehen: Sehr wahrscheinlich saß McGraw augenblicklich so tief in der Tinte, dass er nicht einmal auf die Unterstützung des gutmütigen Tony hätte zählen können.
    Ich trank noch etwas Kaffee und spreizte meine Zehen im Wasser. Es schimmerte türkis, war aber klar und durchsichtig. Ich fixierte meine Füße und versuchte dabei, meine Informationen zu ordnen. McGraw hatte eine Tochter. Allem Anschein nach liebte sie ihn, denn sie schien sich der Arbeiterbewegung verschrieben zu haben. Im Allgemeinen treten Kinder wohl nicht für die Überzeugungen oder die Arbeit ihrer Eltern ein, wenn sie sie hassen. War Anita verschwunden, oder hielt er sie verborgen? Wusste er vielleicht, wer Peter umgebracht hatte, und war sie deswegen weggelaufen? Oder glaubte er, sie habe den Jungen getötet? Die meisten Morde - so rief ich mir ins Gedächtnis - wurden von geliebten Menschen begangen, was Anita statistisch gesehen an die erste Stelle rückte. Welcher Art waren wohl McGraws Verbindungen zum organisierten Verbrechertum, mit dem die Internationale Bruderschaft auf so gutem Fuße stand? Wäre es für ihn nicht ganz einfach gewesen, jemanden anzuheuern, um jenen Schuss abzufeuern? Ihn hätte der Junge auch ohne weiteres zu einem Gespräch hereingelassen, ganz gleich, welche Gefühle beide füreinander hegten, denn McGraw war der Vater seiner Freundin.
    Während ich meinen Kaffee austrank, überlief mich ein Frösteln - trotz des warmen Badewassers.

4
    Bangemachen gilt nicht!
    Die Hauptverwaltung der

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