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Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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einer Schadensabteilung mit einem Gynäkologen vergleichen?«
    »Nun, auf alle Fälle wissen Sie, was ich meine. Weshalb war er bereit, mich zu empfangen? Er hatte noch nie etwas von mir gehört, er war mit Terminen förmlich zugedeckt - und dann hat er nicht einmal Telefongespräche durchstellen lassen, während wir uns unterhielten!«
    »Gut. Aber Sie wussten, dass Peter tot war, und er nicht. Sie haben bei ihm Schuldbewusstsein gesucht und nach Ihrer Deutung auch gefunden«, wandte Ralph ein. »Vielleicht hat er sich um ihn Sorgen gemacht, um Peter, meine ich, weil er Jack Thayer versprochen hatte, sich um den Jungen zu kümmern. Für mich ist es nicht so abwegig, dass Yardley mit Ihnen gesprochen hat. Es handelte sich ja nicht um einen x-beliebigen jungen Mann, sondern um den Sohn eines alten Freundes der Familie. Der Junge war vier Tage lang nicht aufgetaucht, er ging nicht ans Telefon. Yardley ärgerte sich, und zugleich fühlte er sich verantwortlich.«
    Ich überlegte schweigend. Was Ralph sagte, hörte sich vernünftig an. Ich fragte mich, ob ich in meinem Urteil wohl zu voreilig gewesen war und ob meine instinktive Abneigung gegen betont herzliche Geschäftsleute mich Gespenster sehen ließ.
    »Na gut, Sie könnten recht haben. Aber aus welchem Grund kann Masters nicht in einen Lebensversicherungsbetrug verstrickt sein?«
    Ralph war mit seinen Wachteln fertig und bestellte Nachtisch und Kaffee. Meine Wahl fiel auf einen gigantischen Eisbecher. »Das hängt mit der internen Organisation von Versicherungsgesellschaften zusammen«, erläuterte er, nachdem der Kellner wieder verschwunden war. »Wir sind sehr groß - die drittgrößten, wenn man vom Gesamtversicherungsvolumen ausgeht, was ungefähr einem Geschäft von acht Komma vier Milliarden Dollar pro Jahr entspricht. Hierbei sind alle Bereiche eingeschlossen, ebenso wie die dreizehn zur Ajax- Gruppe gehörenden Gesellschaften. Der Gesetzgeber verbietet, dass Lebensversicherungen von derselben Gesellschaft abgeschlossen werden wie Sach- und Unfallversicherungen. Daher läuft unser gesamtes Lebensversicherungs- und Altersversorgungsgeschäft über die Ajax Leben, während die Ajax Unfall und einige der kleineren Gesellschaften mit dem Sach- und Unfallgeschäft betraut sind.«
    Der Kellner kehrte mit unserem Nachtisch zurück. Ralph hatte sich für irgendeine klebrige Torte entschieden. Ich beschloss, mir zu meinem Eisbecher noch Kahlua zu bestellen.
    »Also«, fuhr Ralph fort, »bei Unternehmen von unserer Größenordnung haben die Fachleute, die mit Betriebsunfall-, Privathaftpflicht- und Kfz-Versicherungen befasst sind, mit einem Wort, Leute wie Yardley und ich, keine große Ahnung vom Lebensversicherungsbereich. Klar, wir kennen die Geschäftsleitung, gehen gelegentlich zusammen essen, doch sie haben ihre eigene Verwaltungshierarchie, bearbeiten ihre eigenen Forderungen und so weiter. Hätten wir einen so weit reichenden Zugang zu diesem Zweig, um Analysen erstellen zu können oder sogar Betrügereien zu inszenieren, dann gäbe es einen unglaublichen politischen Skandal, und wir könnten innerhalb der nächsten Stunde den Laden dichtmachen. Unter Garantie.«
    Widerstrebend schüttelte ich den Kopf und wandte mich meinem Eisbecher zu. Ajax erschien mir nicht sehr viel versprechend, und ich hatte doch alle meine Hoffnungen darauf gesetzt. »Haben Sie übrigens den Punkt mit den Pensionsgeldern von Ajax geklärt?«, erkundigte ich mich.
    Ralph lachte. »Sie sind wirklich hartnäckig, Vic. Ja, ich habe mit einem Freund darüber gesprochen. Tut mir Leid, Vic. Fehlanzeige. Er sagt, er wird mal prüfen, ob wir von dritter Hand etwas zugeschoben bekommen ...« Ich sah ihn fragend an. »Beispielsweise könnte die Loyal Alliance ein Geschäft an Dreyfus weitergeben und Dreyfus wiederum einen Teil davon an uns. Alles in allem meint mein Informant jedoch, dass Ajax eher alles versuchen würde, um sich die Scherenschleifer vom Leib zu halten. Was mich keineswegs überrascht.«
    Ich seufzte und leerte meinen Eisbecher. Plötzlich überfiel mich wieder die Müdigkeit. Wenn im Leben alles glatt ginge, könnten wir nie stolz auf unsere Erfolge sein. Das war einer der Sprüche meiner Mutter, während sie mich beim Klavierüben beaufsichtigte. Wäre sie noch am Leben, so hätte sie sicherlich etwas gegen meinen Beruf einzuwenden, doch sie würde nie hinnehmen, dass ich missmutig und mit hängenden Schultern beim Abendessen säße, nur weil ich einen Reinfall erlitten hatte.

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