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Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Anblick ihres traurigen Gesichts zu ertragen, schaltet er aus und stellt eine Verbindung mit Nicki Crowfoot vom Projekt Avatara her.
    Sie lächelt zärtlich.
    »Hast du gut geschlafen, Schadrach?«
    Ihre Kraft und die Stärke ihrer Anteilnahme verleihen noch der kleinen Wiedergabe auf der Mattscheibe eine besondere Ausstrahlung. Sie ist eine kraftvolle Frau, eine Athletin, braunhäutig, großbrüstig und so groß wie er selbst, mit einem starkknochigen Gesicht, weit auseinander stehenden Augen, einem breiten Mund und hochrückiger, leicht gebogener Nase. Beide Eltern waren Indianer, die Mutter eine Navajo, der Vater ein Hopi. Sie und Schadrach sind seit über einem Jahr befreundet, seit vier Monaten Liebende. Schadrach hofft, daß der Vorsitzende von ihrer Affäre nichts weiß, ahnt jedoch, daß es eine naive Hoffnung ist.
    Er sagt: »Jedenfalls habe ich eine Zeitlang gut geschlafen.«
    »Sorgen wegen der Operation?«
    »Wahrscheinlich. Oder vielleicht nur allgemeine Sorgen.«
    Sie lächelt. »Ich hätte dir helfen können, auf andere Gedanken zu kommen.«
    »Ganz bestimmt. Aber bei einem solchen Eingriff möchte ich ausgeruht sein. Die Konzentration muß absolut klar sein, der Verstand wach und unvernebelt. Vielleicht ist es albern, Nicki, aber das war immer mein Prinzip: vor wichtigen Ereignissen auszuschlafen.«
    »Schon gut, schon gut. Ich wollte dich bloß aufziehen. Außerdem läßt sich alles nachholen.«
    »Heute Abend, ja. Oder am Nachmittag. Ich denke, wir werden ihn um halb drei vom Tisch haben. Wie würde es dir gefallen, mit mir einen Ausflug nach Karakorum zu machen?«
    Sie seufzt und macht ein Gesicht. »Ich kann nicht. Wir haben heute Nachmittag wichtige Versuche laufen. Möchtest du meinen Bericht hören?«
    Doktor Crowfoots Arbeit überlappt in mancher Hinsicht die beiden anderen Projekte, denn das Ziel des Projekts Avatara ist die Entwicklung einer Technik der Persönlichkeitsübertragung, die Dschingis Khan II. Mao in die Lage versetzen soll, mit dem bewußten Selbst seiner Persönlichkeit, aber ohne Mitnahme irgendwelcher Teile seiner hinfälligen physischen Erscheinung in einen anderen, jüngeren Körper einzugehen. Wie im Projekt Talos wird auch hier versucht, Denkmuster und Verhaltensweisen des Vorsitzenden in digitale und daher programmierbare, reproduzierbare Kodierungen umzuwandeln; wie im Projekt Phönix wird damit bezweckt, dem Vorsitzenden einen neuen und gesunden Körper zu verschaffen. Aber wo Talos die aufgezeichnete und reproduzierte Persönlichkeit des alten Mannes in einem mechanischen Konstrukt beherbergen möchte, würde Avatara sie in einem bis dahin von jemand anders bewohnten Körper unterbringen, genauer gesagt, in Mangus Körper. Auf der einen Seite würde Crowfoots Projekt die Unmenschlichkeit vermeiden, einen Robotervorsitzenden zu schaffen, während es auf der anderen Seite das Problem des Gehirnzellenverfalls umgehen würde, indem es die ungreifbare und abstrakte Essenz des alten Mannes einem jungen und leistungsfähigen Gehirn aufprägen würde. Trotz dieser teilweisen Überlappung werden die drei Projekte völlig unabhängig voneinander weiterverfolgt, obwohl auf allen Ebenen ein ständiger Gedankenaustausch stattfindet.
    Dank seiner privilegierten Stellung ist Schadrach Mordechai vielleicht der einzige, der einen genaueren Überblick über den Stand der Dinge hat. Er weiß, daß Katja Lindmans Gruppe an einem Problem arbeitet, das wahrscheinlich hoffnungslos ist – die Übertragung einer menschlichen Persönlichkeit auf eine Maschine wird kein überzeugendes und politisch lebensfähiges Duplikat des Originals hervorbringen, da Maschinen im allgemeinen unfähig sind, die Begrenztheit ihres maschinellen Charakters zu überwinden –, und daß Irina Sarafrazis Gruppe, obwohl sie mit der einleuchtendsten Methode versucht, dem Vorsitzenden die ersehnte langfristige Lebensverlängerung zu bescheren, wahrscheinlich verurteilt ist, an der offenbar unlösbaren Schwierigkeit des Gehirnzellenverfalls zu scheitern. Er weiß auch, daß Nicki Crowfoots Weg zur Persönlichkeitsverschlüsselung erfolgreicher als Lindmans Methode gewesen ist, und daß es den Wissenschaftlern des Projekts Avatara in einigen Monaten möglich sein mag, die Persönlichkeitsstruktur des Vorsitzenden wie einen tief eindringenden Farbanstrich über das Gehirn eines Spenderkörpers zu decken, dessen bisheriger Bewohner durch aktive elektro-enzephalographische Techniken ausgelöscht worden ist. Armer Mangu.

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