Schadrach im Feuerofen
Körperbehaarung. Die feinen weißen Narben ungezählter Operationen überziehen kreuz und quer die gelblich-bräunliche Haut. Während die Assistenzärzte sich daranmachen, die Endpunkte der Überwachungsgeräte anzubringen, tastet Warhaftig konzentriert und nachdenklich den Unterleib des Patienten ab, zieht das Lasergerät heran und justiert den Schneidwinkel. Der Anästhesiearzt, außerhalb der Blase postiert, beugt sich über die Akupunktur-Kombinationen, die er auf seiner Tastatur zusammengestellt hat.
Da der Vorsitzende für die Dauer von vier bis sechs Stunden ohne arbeitsfähige Leber sein wird, muß ein künstliches Organ angeschlossen werden, das ihn während der Operation am Leben erhält. Aber auch fünfzig Jahre nach dem Beginn des Zeitalters der künstlichen Organe und Verpflanzungen gibt es noch keine brauchbare künstliche Leber. Das gedrungene, würfelförmige Gerät, das Warhaftig verwendet, ist eine kombinierte mechanisch-organische Anlage. Röhren, Schlauchleitungen, Pumpen und elektrodialytische Filter halten das Blut des Patienten rein, aber die mechanisch nicht duplizierbaren biochemischen Funktionen der Leber werden von der Leber eines Hundes wahrgenommen, die im Innern des Apparats in einem Bad warmer Nährflüssigkeit ruht. Einer der Assistenzärzte stößt zwei Nadeln in den Oberarm des Patienten, eine in eine Vene, die andere in eine Arterie. Der arterielle Anschluß scheint auf einen Widerstand zu stoßen, und der Arzt zögert. Der alte Mann nickt ihm zu. Dies alles ist ihm vertraut. »Machen Sie nur«, murmelt er. »Ich kann es ertragen.« Der Arzt vervollständigt den Anschluß und nickt dem Kollegen zu. Kurz darauf fließt das Blut des Vorsitzenden durch die Schlauchleitung zum Dialysegerät und anschließend durch die nassen roten Lappen der Hundeleber, worauf es in den Körper des Vorsitzenden zurückkehrt. Schadrach überwacht unterdessen die eingehenden telemetrischen Signale. Alles ist in Ordnung.
»Immunsuppression«, befiehlt Warhaftig.
In Vorbereitung auf die Operation hat Schadrach dem Vorsitzenden seit mehreren Wochen antimetabolische Medikamente verabreicht, um die normale Immunreaktion zu unterdrücken, die eine erfolgreiche Verpflanzung unmöglich machen würde. Inzwischen ist die Abwehrkraft des Patienten so geschwächt, daß die Gefahr einer Abstoßung der verpflanzten Leber gering ist. Warhaftig aber will nichts riskieren: der Patient erhält eine letzte Dosis, dazu eine weitere Dosis Corticosteroide, und ein Helfer außerhalb der Operationsblase aktiviert ein kleines Gerät, welches das Blut zwischen Ersatzleber und Körper bestrahlt, wobei die für die Abstoßung von Fremdgewebe verantwortlichen Lymphozyten abgetötet werden. Das Herz des Patienten schlägt kräftig und gleichmäßig. Alle wichtigen Körperfunktionen halten sich im Normalbereich: Blutdruck, Puls, Körpertemperatur, Peristaltik, Muskeltonus, Pupillenerweiterung, Reflexe.
»Anästhesie«, sagt Warhaftig.
Der Anästhesiearzt steuert von seiner Konsole aus den gelenkigen Metallarm des Ultraschall-Akupunkturgeräts über den Körper des Vorsitzenden und manövriert den spitz zulaufenden Ultraschallkopf minutiös an Ort und Stelle. Sobald er den Akupunkturpunkt des neuralen Energieleiters gefunden hat, läßt er den scharf gebündelten Ultraschallstrahl in den entspannten, bewegungslosen Körper stoßen. Keine Akupunkturnadel verletzt die Haut des alten Mannes. Warhaftig überprüft mit Hilfe angehefteter Hautelektroden die Reaktionen des Patienten, berät mit dem Anästhesiearzt, prüft wieder, bittet Mordechai um eine Ablesung, unternimmt einen neuen Versuch mit erhöhter Spannung, und diesmal bleibt das schmerzliche Zusammenzucken aus. Der Vorsitzende erlaubt nicht, daß ihm eine allgemeine Anästhesie verabreicht wird – der Verlust des Bewußtseins ähnelt zu sehr dem Tod –, und Warhaftig lehnt alle chemischen Anästhesiemethoden ab, so daß Akupunktur für Arzt und Patient die geeignete Methode ist. Noch immer bei vollem Bewußtsein und beängstigend munter, kommentiert der Patient seine zunehmende Fühllosigkeit.
Schließlich stimmen Warhaftig und der Anästhesiearzt darin überein, daß der Prozeß abgeschlossen sei.
»Wir fangen jetzt an«, erklärt der Chirurg.
Die Helligkeit der Beleuchtung schwankt, als alle chirurgischen Geräte und unterstützenden Systeme gleichzeitig eingeschaltet werden. Zur Linken vom Chirurgen steht die Maschine mit der Ersatzleber, die das Blut des Patienten
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