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Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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schrumpft. Und mehr noch, das Spiel ist auf einmal sehr schmerzhaft geworden, es hat einen bloßliegenden Nerv getroffen und schmerzt mit verblüffender Intensität. In den vergangenen zehn Minuten ist es ihm gelungen, seine gleichmütige Gelassenheit selbst zu unterminieren, und nun windet er sich nicht nur, er blutet. Schmerz, Furcht und Zorn überwältigen ihn. Er hat den Eindruck, alle hätten sich gegen ihn verschworen. Er, der freundliche, umgängliche, gutaussehende, humane, seiner Arbeit ergebene Schadrach Mordechai ist, wie sich herausstellt, bloß ein weiterer entbehrlicher Nigger. Wenn wahr ist, was Katja ihm erzählt hat. Wenn. Schadrach ist in größter Unruhe. Dies also ist sein Feuerofen, und er steckt schon darin. Der schwere Schatten des Vorsitzenden liegt über ihm. Eines Tages werden sie ihn holen, werden ihm die Elektroden ansetzen und sein einzigartiges und unersetzliches Selbst auslöschen, und kurz darauf werden sie die Persönlichkeit dieses schlauen alten Mongolen in seinen Schädel pumpen. Wird es wirklich dahin kommen? Katja sagt es. Aber kann er ihr glauben? Sollte er ihr glauben? Er zittert auf einmal. Das Entsetzen geht ihm wie ein Frosthauch durch alle Glieder. Er braucht Ruhe; er könnte eine Dosis vom Beruhigungsmittel des alten Teufels vertragen, eine ordentliche Ladung Pordenone 9 oder vielleicht etwas Stärkeres. Aber Schadrach hält nichts davon, sich in einer Krise unter Drogen zu setzen. Er braucht jetzt seinen klaren Verstand.
    Was soll er tun?
    Der erste Schritt ist einer, den er schon gestern hätte tun sollen. Er wird wieder zu Nicki Crowfoot gehen. Und ihr ein paar Fragen stellen.
     

17
    Sie sieht blaß und spitz aus, noch immer von der Krankheit gezeichnet, ist aber auf dem Wege der Besserung. Sie scheint zu ahnen, warum er gekommen ist, und es bedarf nur eines halben Dutzends rauer Worte von ihm, um die Antwort zu erhalten, die er in Wahrheit nicht hören will. Ja, es ist wahr. Ja. Ja. Schadrach hört sich ihr stammelndes Geständnis, das voller Umschweife und Ausflüchte ist, eine Weile an, dann sagt er mit ruhigem Vorwurf: »Du hättest es mir eher sagen können.« Er blickt sie dabei unverwandt an, und jetzt erwidert sie endlich seinen Blick: nun, da sie die ungeheuerliche Wahrheit zugegeben hat, ist sie imstande, ihn wieder anzusehen. »Warum hast du es mir nicht gesagt, Nicki?« fragt er.
    »Ich konnte nicht. Es war nicht möglich.«
    »War nicht möglich? Selbstverständlich war es möglich. Du hättest nur den Mund aufzumachen brauchen. >Schadrach, ich glaube, ich sollte dich warnen, daß du…<«
    »Hör auf«, sagt sie. »So einfach war es für mich nicht.«
    »Wann wurde die Entscheidung getroffen?«
    »An dem Tag, als Buckmaster zur Organfarm geschickt wurde.«
    »Warst du an meiner Auswahl beteiligt?«
    »Denkst du, ich hätte daran teilnehmen können, Schadrach?«
    Er sagt: »Ich habe vor langer Zeit gelernt, daß schuldige Menschen unangenehme Fragen mit Gegenfragen zu beantworten pflegen.«
    Es ist ein böser Hieb, aber sie scheint davon nicht verletzt, und sofort bedauert er ihn. Sie ist eine starke Frau, ganz ruhig jetzt, da er sie demaskiert hat, und mit gefaßter Stimme antwortet sie: »Der Vorsitzende hat sich ganz allein für dich entschieden. Ich wurde nicht gefragt.«
    »Verstehe.«
    »Du kannst es ruhig glauben.«
    Er nickt.
    »Ich glaube es.«
    »Also?«
    »Als du erfuhrst, daß ich der neue Kandidat sei, unternahmst du da irgendeinen Versuch, ihn umzustimmen?«
    »Wer hat den Vorsitzenden jemals in irgendeiner Sache umstimmen können?«
    »Bemerkst du, wie du meine Frage mit einer eigenen Gegenfrage parierst?«
    Diesmal tut es weh. Sie gerät ein wenig aus dem eben erst wiedergewonnenen Gleichgewicht. Ihr Blick weicht ihm aus, und sie sagt mit hohler Stimme: »Na gut. In Ordnung. Ich versuchte nicht, ihn umzustimmen, nein.«
    Schadrach schweigt einen Augenblick lang. Dann sagt er: »Ich dachte, ich kennte dich ziemlich gut, Nicki, aber das war ein Irrtum.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich hielt dich für eine Person, die menschliche Wesen als Endzweck sieht, nicht als Mittel. Ich dachte nicht, du würdest einen… äh… einen engen Freund für die Müllhalde nominieren lassen und keinen Finger rühren, um ihn zu retten, und ihm nicht einmal ein Wort darüber sagen, keine Andeutung machen, was ihm bevorsteht. Ich dachte nicht, daß du ihn sogar meiden würdest, als ob du ihn vom Augenblick seiner Erwählung an als Unperson abgeschrieben

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