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Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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bleiben?«
    »Alle raten mir zur Flucht.«
    »Ja.«
    »Es würde nichts nützen.«
    »Du könntest dich retten«, sagt sie.
    Er schüttelt den Kopf. »Ich würde nicht entkommen. In Asien gibt es nicht viele Nigger. Ich falle überall auf. Und die Überwachung ist fast vollkommen. Du weißt das selbst. Du hast mir selbst gesagt, daß ein Entkommen unmöglich sei. Außerdem würde es dein Projekt wieder durcheinander bringen, wenn ich verschwände.«
    »Ach, Schadrach!«
    »Ich meine, schließlich bin ich die Schlüsselfigur, nicht wahr?«
    »Sei kein Kind.«
    »Ihr würdet einen neuen Wirt für den Vorsitzenden suchen müssen. Und dann müßtet ihr mit dem Kalibrieren wieder von vorn anfangen. Du…«
    »Hör auf, bitte.«
    »Schon gut«, sagt er. »Jedenfalls wäre jeder Versuch, dem Sicherheitsdienst zu entkommen, zum Scheitern verurteilt.«
    »Du willst es nicht mal versuchen?«
    »Ich werde es nicht mal versuchen.«
    Sie mustert ihn längere Zeit schweigend. Dann schlägt sie den Blick nieder und sagt: »Ich sollte darüber Erleichterung empfinden, nehme ich an.«
    »Warum?«
    »Wenn du nicht die Verantwortung für eine Rettung übernehmen willst, dann brauche ich nicht die Verantwortung für – für…«
    »Für das zu übernehmen, was mit mir geschehen wird, wenn ich bleibe?«
    »Ja.«
    »Das stimmt. Insofern brauchst du keinerlei Schuldgefühle zu haben. Ich bin gewarnt worden, und trotzdem treffe ich aus freien Stücken die Wahl, dazubleiben und mich den Dingen zu stellen, die auf mich zukommen. Du hast die Absolution, Nicki. Deine Hände sind von meinem Blut gereinigt.«
    »Verhöhnst du mich, Schadrach?«
    »Das zu beurteilen, überlasse ich dir.«
    »Ich weiß nie, wann du höhnisch oder ironisch bist.«
    »Nun, diesmal nicht«, sagt Schadrach.
    Sie starren einander an. Er fühlt noch immer diese seltsame Anziehungskraft, diese groteske und unangemessene Lust. Er vermutet, daß er sie hier und jetzt im Büro haben könnte, wenn er nur die Hand ausstrecken würde. Dann denkt er an Eis und seine Kollegen, wie sie jenseits der abgesperrten Bürotür umhereilen, geschäftig mit ihren Computerberechnungen und Schimpansen, ja, mit ihren simulierten Persönlichkeitsübertragungen in die körperliche Hülle des armen Schadrach Mordechai, und seine Glut kühlt ein wenig ab. Aber nur ein wenig.
    Nicki lacht.
    »Was gibt es da zu lachen?« fragt er.
    »Erinnerst du dich«, sagt sie, »wie wir über die Vorstellung sprachen, daß du und der alte Mann ein einziges Lebenssystem wärt, eine sich selbst berichtigende Einheit zur Informationsverarbeitung? Das war vor dieser ganzen Geschichte. Mangu lebte noch, glaube ich. Ich sprach darüber, wie der Meißel und der Schlegel und der Stein Teilaspekte des Bildhauers darstellen, oder besser, daß der Bildhauer und seine Werkzeuge und Materialien zusammen eine einzige denkende und handelnde Einheit ergeben, eine einzige Person, und wie du und der Vorsitzende…«
    »Ja. Ich erinnere mich.«
    »Das trifft nun noch mehr zu, nicht wahr? Im buchstäblichsten Sinne. Es is eine seltsame Ironie, finde ich. Dein Nervensystem und das seinige, ineinander verstrickt, nicht zu unterscheiden. Als wir damals sprachen, sagtest du, es sei keine echte Analogie, der alte Mann könne Daten auf dich übertragen, doch du könntest nicht zurücksenden, so daß der Informationsfluß begrenzt sei. Das wird sich nun ändern. Es wird unmöglich sein, zu bestimmen, wo der eine von euch aufhört und der andere anfängt. Aber schon damals wollte ich dir sagen, daß du die Idee nicht richtig begriffen hättest, daß der Marmor kein Bildhauerwerk entwerfen kann, aber nichtsdestoweniger Teil des gesamten Bildhauerwerks ist; und daß du deinem Patienten keine Daten eingeben kannst, aber nichtsdestoweniger Teil seines Gesamtsystems bist. Es gibt ein Zusammenwirken, eine Rückkopplung, die dich mit ihm und ihn mit dir verbindet, es gibt…« Sie hat sehr schnell gesprochen, doch nun hält sie plötzlich inne und sagt in völlig verändertem Ton: »Schadrach, ich kann nicht verstehen, warum du dich nicht verstecken willst!«
    »Ich sagte es dir. Weil es nutzlos ist. Ich sage es allen, die mir diesen Rat geben, aber sie scheinen mir nicht glauben zu wollen.«
    Er versucht sich selbst als einen Teil dieses Dschingis Khan II. Mao-Gesamtsystems zu sehen und überdenkt die Analogien. Kein Zweifel, seine Empfänger und Signalgeber verbinden ihn auf eine ganz besondere Art mit dem Vorsitzenden. Aber für das

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