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Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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aufzuhelfen. Aber sie erhebt sich ohne seine Hilfe, und sie stehen einander gegenüber. Er weiß nichts zu sagen. Es ist ein unangenehmer Augenblick, aber sie rettet ihn und sich selbst davor, indem sie seine Hand ergreift und ihm ein warmes, liebevolles Lächeln schenkt, indem sie ihn zu einem leichten, flüchtig seine Lippen streifenden Kuß zu sich zieht, der das Geschehene eingesteht und zugleich den Vorhang darüberzieht. Es ist Zeit, daß er geht.
    »Rette dich«, murmelt sie zum Abschied. »Niemand kann es für dich tun.«
    »Ich muß noch darüber nachdenken.«
    »Dann tue das. Aber nimm dir nicht zuviel Zeit dafür. Ich liebe dich, Schadrach.«
    Er weiß, was er darauf erwidern sollte, aber die Worte sind unmöglich. Er drückt ihr statt dessen die Hand und geht rasch hinaus.

19
    Er hat seit Tagen erklärt, daß er nicht weglaufen werde. Er hat es zu Cifolia, zu Horthy, zu Nicki, zu Katja und allen anderen wohlmeinenden Freunden gesagt, die seine Untätigkeit nicht verstehen und ihm raten, sich zu retten. Aber schließlich, nach weiteren Tagen qualvoller Unschlüssigkeit, faßt er doch noch den Entschluß, Ulan Bator zu verlassen.
    Es ist nicht gerade ein Fluchtversuch, denn an seiner Überzeugung, daß es keine Möglichkeit gebe, sich der Überwachung zu entziehen, hat sich nichts geändert. Er wird nicht versuchen, sich heimlich davonzumachen; er beabsichtigt sogar, den Vorsitzenden von seinem Weggang zu unterrichten. Nein, es ist keine Flucht, es ist mehr wie eine Urlaubsreise. Für seine Entscheidung gibt es zwei unmittelbare Ursachen: einmal die Bemerkung Horthys, daß manche Leute besser denken könnten, wenn sie auf der Flucht sind, und zum ändern Nickis Wiederaufgreifen der Vorstellung, daß er und der alte Mann ein einziges System darstellten: das hat ihn auf eine Idee gebracht. Er weiß nicht, ob und wie nützlich die Idee in der Verwirklichung sein mag, und braucht Zeit, um sie eingehend zu durchdenken. Vielleicht kann er wirklich besser denken, wenn er unterwegs ist. Er wird auf jeden Fall die Hauptstadt verlassen. Er beginnt sich sogar auf die Reise zu freuen, verspricht sich davon Abwechslung und Unterhaltung, vielleicht sogar neue Erfahrungen. Ein zaghafter Optimismus stellt sich ein. Er wird es sich etwas kosten lassen, wird von Kontinent zu Kontinent springen und eine Weltreise machen, die sehr wohl das letzte große Abenteuer seines Lebens werden mag.
    Am Abend nach der Entscheidung sucht er den Vorsitzenden auf. Der alte Mann hat sich vom letzten Eingriff erholt, doch sind seine Kräfte noch nicht ganz wiederhergestellt. Er sieht ein wenig fiebrig aus, ein wenig gerötet, und die scharfen, mißtrauischen Augen zeigen einen unnatürlichen Glanz, aber im ganzen ist er gesund, lebhaft und wach. Er hat den halben Tag in seinem Büro gearbeitet und ist noch zu dieser vorgerückten Stunde in Akten und Pläne vertieft. Während Schadrach die gewohnte Untersuchung macht und die verordneten Medikamente zur Einnahme dosiert, kommt der alte Mann wieder auf Mangus Staatsbegräbnis zu sprechen, das wegen der Aortaverpflanzung verschoben werden mußte und im Bewußtsein des Vorsitzenden mehr und mehr zur fixen Idee zu werden scheint. »Fünfzigtausend Mann werden aufmarschieren!« erzählt er Schadrach mit aufgeregt fistelnder Stimme. »Eine Parade der Luftstreitkräfte, Raketen, tausend Fahnen, sechs Militärkapellen! Der Revolutionsrat vollzählig auf der Tribüne, wenn der Katafalk vorbeizieht, gezogen von dreizehn geschmückten Steppenpferden. Folkloregruppen, Bogenschützen, Dämonenbeschwörer. Ein gewaltiger Scheiterhaufen, der von flammenden Pfeilen der Bogenschützen in Brand gesetzt wird. Tausende von Turnern in verschiedenfarbiger Kleidung, die…«Er hält inne. »Sie haben doch nicht wieder etwas gefunden, was Sie mir herausschneiden wollen, oder? Ich kann jetzt keinen weiteren Eingriff gebrauchen. Das Staatsbegräbnis darf nicht ein zweites Mal verschoben werden.«
    »Ich sehe keinen Grund, warum es verschoben werden sollte.«
    »Gut. Sehr gut. Es soll ein Ereignis werden, an das man sich noch in Jahrhunderten erinnern wird. Wann immer ein großer Mann stirbt, wird man davon sprechen, daß er ein Begräbnis verdient habe, >so großartig wie Mangus Begräbnis<. Übrigens werden Sie bei mir auf der Tribüne sitzen, Doktor. Zu meiner Rechten. Ein besonderes Zeichen meiner Gunst, das Sie hoffentlich zu schätzen wissen.«
    Schadrach holt tief Atem. Das kann schwierig werden.
    »Mit Ihrer

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