Schäfers Qualen
nicht.“
„Nie und nimmer. Übrigens: Kannst du mir einen Verband wechseln?“
„Was? Hast du was in den Staubsauger gehalten, das da nicht reingehört?“
„Hör auf mit den Sprüchen. Ich hab mir den Unterschenkel durchlöchert und der alte Verband ist schon ziemlich desolat. Also?“
„Na dann“, seufzte Konopatsch, „mir nach.“
Sie stiegen in den Fahrstuhl und fuhren in den zweiten Stock, wo Schäfer seinem Studienkollegen in ein Behandlungszimmer folgte, das nicht den Eindruck machte, regelmäßig benutzt zu werden. In den Ecken hatten sich Spinnen ausgebreitet, und als Konopatsch einen der gläsernen Wandschränke öffnete, hinterließ seine rechte Hand einen sauberen Abdruck in der Staubschicht. Schäfer zog die Schuhe aus, setzte sich auf die Behandlungsliege und krempelte das Hosenbein hoch.
„Haben sie das geröntgt?“, fragte Konopatsch, nachdem er den Verband heruntergeschnitten hatte und die starke Schwellung an Schäfers Schienbein sah.
„Ja … angeblich ist nichts kaputt.“
„Würde ich mir trotzdem noch mal ansehen lassen“, meinte Konopatsch, während er die Wunde reinigte, eine Heilsalbe auftrug und einen neuen Verband anlegte. „Wenn du willst, kann ich in der Ambulanz anrufen, dass sie das noch mal anschauen.“
„Vielleicht später … danke!“
Er zog das Hosenbein hinunter, stieg von der Liege und schlüpfte in seine Schuhe.
„Wann, glaubst du, seid ihr mit der Analyse fertig?“
„Ich frag mal nach“, seufzte Konopatsch und nahm sein Telefon aus der Tasche seines Kittels.
„Peter? Hallo … Hast du heute noch Zeit für einen Freundschaftsdienst? … Eine DNA … Ein Knochenstück … Ja, dann bring ich’s dir hinüber … Ja, da wird sich wer freuen … Danke, bis gleich.“
„Kannst du heute Abend haben“, sagte Konopatsch zu Schäfer und hielt ihm die Tür auf.
„Du bist ein Held!“
„Was machst du jetzt den restlichen Tag?“, fragte Konopatsch, während der Aufzug sie nach unten brachte.
„Weiß ich noch nicht … Vielleicht schau ich, was im Kino läuft. Oder ich setze mich in ein Kaffeehaus.“
„Na dann, bis heute Abend.“ Konopatsch klopfte Schäfer auf die Schulter, ließ ihn aus dem Lift und fuhr in den Keller weiter.
45
Als er ins Freie trat, hatte der Regen aufgehört. Die Wolken hatten sich verzogen, der Asphalt dampfte, es war binnen einer Stunde so schwül geworden, dass Schäfer sein Jackett auszog. Unter einer alten Kastanie erblickte er eine Bank, auf die er sich setzte, um eine Zigarette zu rauchen und einen Anruf zu machen.
„Hallo, ich bin’s … Kann ich dich was fragen … Das muss aber unter uns bleiben … Also auch kein Wort zu Marc … Wenn ich eine Möglichkeit hätte, zu beweisen, dass an dem Mord an Obernauer und Radner … Entschuldigung, ich dachte, das hätte ich dir schon erzählt … Also der Obernauer ist ziemlich sicher von einem der vier ermordet worden … Genau … Und der, den wir jetzt ausgegraben haben, dürfte der Radner sein, den sie ebenfalls umgebracht haben … Zehn Jahre davor … Ja … Also, wenn ich beweisen könnte, dass einer darin verwickelt ist, der möglicherweise sonst davonkommt, es sei denn … Also, es könnte halt sein, dass er es nicht überlebt … Wer? Das kann ich dir nicht sagen … Sicher nicht … Ich wollte nur deine Meinung hören … Nein, wollte ich nicht … Das mache ich sowieso … Ja … Servus.“
Schäfer legte auf, rauchte seine Zigarette fertig, stand auf und ging zum Haupteingang des Klinikgeländes. Dort nahm er ein Taxi und ließ sich zum Alpenzoo bringen. Als er vor dem Kassahäuschen stand, um eine Eintrittskarte zu kaufen, läutete sein Telefon. Bruckner.
„Ja … Und wieso hat das so lange gedauert? … Ach, der Reinisch und seine Freunde … Und das Projektil, das Radner getötet hat? … 9 Millimeter, das würde passen … Ab damit zur Ballistik. Fragen Sie die Baumgartner, die hat den ballistischen Bericht vom Projektil vom Banküberfall … Welches Bild? … Ah, das mit der Frau … Und Walch meint, das Gesicht komme ihm bekannt vor … Na gut, vielleicht fällt ihm ja ein, woher … Gut, nein, ich fahre am Abend wieder zurück … Bis dann.“
Schäfer steckte sein Telefon ein, gab der Kassiererin den gewünschten Betrag und nahm sein Ticket entgegen. Walch war dicht dran … wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn niemand sonst draufkam. Gut, das könnte ihm unter Umständen eine Entscheidung abnehmen; aber Sonnbichler würde ihm dann ziemlich
Weitere Kostenlose Bücher