Schäfers Qualen
Kreuzigung und Lebendig-Begraben. Einfach quer durch die Geschichte: In welchen Kulturen wurden diese Tötungen angewandt, was gibt es für Beispiele bei den Christen, Ritualmorde und so weiter. Kern, ich nehme an, dass du zusammen mit Revierinspektor Aufschnaiter den Laden hier am Laufen hältst. Falls dir noch Zeit bleibt, würde ich dich gern ab und zu für besondere Dienste einsetzen. Und bevor nachher jemand den Inspektor als Liebkind verspotten will: Ich werde ihn auch als Laufburschen verwenden, um zum Beispiel gleich morgen früh meinen verdreckten Anzug in die Reinigung zu bringen.“
Schäfer war erleichtert, dass es ihm zum Abschluss seines Vortrags gelungen war, seine neuen Mitarbeiter zum Lachen zu bringen. Sie gaben sich allesamt ruhig und professionell. Aber die Konfrontation mit zwei Morden und die Grausamkeit der Verbrechen setzten ihnen zu, das wusste Schäfer. Nachdem sich Baumgartner und Winkler verabschiedet hatten, weil sie noch weitere Befragungen durchführen mussten, setzten sich die restlichen Polizisten in den Aufenthaltsraum, wo Schäfer die Pizzen verteilte, die Kern in seinem Auftrag gekauft hatte. Die Atmosphäre lockerte sich und die Männer verloren ihre Scheu, über die Morde ihre eigene Meinung kundzutun. Dass sie mit dem Auftauchen des Wiener Majors nicht glücklich waren, spürte Schäfer deutlich, aber sie bemühten sich zumindest. Als plötzlich das Telefon läutete und Kern kurz darauf Schäfer an den Apparat holte, hielten alle im Raum gespannt inne und schwiegen, bis der Major zurück an den Tisch kam.
„Krassnitzer hatte Spuren von Waffenöl an seinem Hosenbund und seinem Poloshirt. Ich möchte so schnell wie möglich wissen, ob er einen Waffenpass hatte, und wenn ja, welche Waffen auf ihn registriert sind. Walch: Wo halten Sie normalerweise Pressekonferenzen ab?“
„Je nachdem, wie viele wir erwarten. Wenn es weniger sind, im Gemeinderatssaal. Sonst im Saal der Wirtschaftskammer.“
„Nehmen Sie den großen Saal. Heute dürften es nur ein paar sein – aber wenn die Deutschen aufspringen, könnte es einen ganz schönen Wirbel geben. Jetzt ist es halb sieben. Setzen Sie die Konferenz auf halb acht an. Ich gehe jetzt ins Hotel zurück. Bis später.“
9
Die Rezeptionistin grüßte Schäfer etwas verhaltener als am Nachmittag. Das lokale Nachrichtennetz funktionierte offenkundig – jetzt war er Polizist. Willkommen, um schnellstmöglich zwei Verbrechen aufzuklären, die dem Ansehen des Ortes schaden konnten. Andererseits könnte sein Kontakt mit dem Bösen durchaus das Chi im Hotel stören: Die anderen Gäste würden Albträume bekommen, in ihren Zimmern schreien und auch tagsüber keine Entspannung finden – neu errichteter Wellnessbereich hin oder her. Vielleicht war die Rezeptionistin aber auch nur müde. Schäfer nahm seinen Schlüssel in Empfang, wünschte ihr einen schönen Abend und ging auf sein Zimmer. Er zog die Schuhe aus, ließ sich aufs Bett fallen und schloss die Augen. Irgendwas war da mit Krassnitzer … geht mitten in der Nacht zu seiner Baustelle … schlampig angezogen und wahrscheinlich mit einer Pistole im Hosenbund. Und dann? Wird er niedergeschlagen und einzementiert. Aber von einer Verletzung am Kopf hatte Baumgartner nichts gesagt. Krassnitzer war groß und kräftig gebaut … der hätte sich sicher gewehrt. Schäfer nahm sein Mobiltelefon aus der Innentasche und suchte die Karte, die ihm Konopatsch gegeben hatte.
„Knochen! Schäfer hier. Haben sie dir den Krassnitzer schon gebracht? … Heute nicht mehr? … Ins Theater … Bist du spitz auf eine der Schauspielerinnen oder spielen sie ‚Der Tod und das Mädchen‘ … Nein … Kannst du mir morgen bitte gleich als Erstes sein Blut untersuchen … nach irgendwelchen Drogen oder Betäubungsmitteln … Ja … Danke … Du auch.“
Schäfer stand auf und ging auf den Balkon. Recherchieren, Leute befragen, Archive durchwühlen … er wusste, dass ohne diese Arbeit nichts vorwärtsging. Dennoch empfand er diese Phase der Ermittlungen als quälend. Kein Verdächtigenkreis, keinerlei Anhaltspunkte, so gut wie nichts, mit dem er den heißer werdenden Topf in seinem Kopf füllen konnte. Und trotz seiner Erfahrung pendelte er zwischen Ungeduld, Verzweiflung und Versagensangst. Er schaute auf den Wilden Kaiser, der sein schroffes Profil in den Abendhimmel zeichnete. Über all dem das ungute Gefühl, dass es mit den beiden Morden noch nicht vorbei war. Er ging zurück ins Zimmer, nahm seinen
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