Schaenderblut - Thriller
Situation jemanden brauche, der mir beisteht.«
Es waren genau die richtigen Worte. Joe hatte sie seit ihrer ersten Begegnung einstudiert, um sie eines Tages laut auszusprechen. Ihre Bedürfnisse waren so offensichtlich, dass man kein Bauernfänger oder Raubtier sein musste, um sie zu erkennen. Emma brauchte das Gefühl, gebraucht zu werden. In ihr steckten eine tiefe Einsamkeit und Traurigkeit, wie bei einer Schimpansenmutter, die ihre Fehlgeburt wochenlang in den Armen mit sich herumtrug, weil sie sich weigerte, den Tod zu akzeptieren. Joe spielte mit den mütterlichen Instinkten, die in ihr schlummerten und nach außen drängten.
»Ich weiß, dass ich Ihnen nicht ganz geheuer bin. Wir können gerne getrennt fahren und uns im Café unten an der Straße treffen. Dann sind sie nicht mit mir allein.«
»Das klingt furchtbar. Es tut mir leid. Es ist ja nicht so, dass ich glaube, Sie tun mir etwas an. Nur ... diese Bücher, die Sie ständig lesen ...«
»Ich bin Psychologiestudent und versuche zu verstehen, was normale menschliche Wesen in solche brutalen Bestien verwandelt. Ich hoffe, dass ich eines Tages eine Möglichkeit finde, sie zu kurieren.«
»Das ist wirklich bewundernswert, aber ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, wenn ich auf Ihren Vorschlag eingehe und allein ins Café vorfahre?«
Joe lächelte breit.
»Nein, ganz und gar nicht. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen.«
Sie redeten bis spät in die Nacht. Emma erzählte ihm von den beiden gescheiterten Ehen. Ihr erster Mann hatte sie geschlagen, der zweite hatte sie wegen ihrer Schwester sitzen lassen. Ihre Tochter war vor fünf Jahren von zu Hause weggelaufen, nur zwei Monate nach ihrem 16. Geburtstag.
»Haben Sie jemals wieder von ihr gehört?«
»Sie ruft mich manchmal an. Wenn sie in Schwierigkeiten steckt oder Geld braucht oder einfach nur jemanden, der ihr zuhört. Ich bin eine gute Zuhörerin. Aber ich weiß nicht, wo sie im Moment ist. Sie hat sich seit Monaten nicht mehr gemeldet.«
»Es muss hart sein, nicht zu wissen, was die eigenen Kinder tun.«
»Ich komme schon damit klar.«
Joe nickte und blickte auf das Stück Papier, auf dem der Name Damon Trent stand, gefolgt von Telefonnummer und Adresse der staatlichen Anstalt für geisteskranke Straftäter. Er rollte den Zettel zwischen den Händen zusammen, während dunkle Schatten durch seinen Verstand huschten.
»Was hat er Ihnen angetan?«
»Das wollen Sie nicht wissen.«
»Mag sein aber Sie müssen es sich von der Seele reden. Ich kann sehen, dass es Ihnen nach wie vor wehtut. Es könnte helfen, darüber zu sprechen.«
Joe wollte sich eigentlich nicht länger mit ihr unterhalten. Er wollte ihr menschlich nicht zu nahe kommen, weil er die Absicht hatte, sie zu töten. Aber von den Schrecken seiner Vergangenheit zu erzählen, war vielleicht genau die Ablenkung, die er jetzt brauchte. Es könnte helfen, ihn zu beruhigen, bis er mit ihr allein war.
»Ich war mit meinem Fahrrad unterwegs, als er mich überfiel. Ich bog um die Ecke und da stand er vor mir und grinste mich an. Ich versuchte, zu wenden, um ihm zu entkommen. Ich spürte sofort, dass er mir wehtun würde. Natürlich hatte ich keine Ahnung, wie sehr. Ich dachte, er würde mich verdreschen und mein Fahrrad klauen – so etwas in der Art. Dann packte er mich an der Kehle. Er drückte so fest zu, dass ich nicht einmal schreien konnte. Mir blieb die Luft weg und ich hatte das Gefühl, jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren. Dann schleppte er mich in seinen Lieferwagen.«
Joe holte tief Luft und rieb sich die nackten Arme, wie um sich zu wärmen, als ein kalter Schauder über seinen Rücken lief.
»Es ist okay. Sie müssen nicht weiterreden, wenn es Sie zu sehr quält.«
»Als wir in seinem Haus waren, zog er mich aus. Er fing an, mich zu schlagen. Dann stach er auf mich ein. Er quälte und vergewaltigte mich. Ich erinnere mich gut daran, wie er meine Wunden leckte und das Blut aufschlabberte wie ein Kätzchen die Milch. Seine Augen waren glasig und leer. Er hielt mich tagelang unten in diesem Keller gefangen und trank mein Blut. Irgendwann verlor ich das Bewusstsein. Da muss er mich wieder in den Lieferwagen gepackt haben. Als ich aufwachte, lag ich im Park. Ich hatte enormes Glück. Ich war sein erstes Opfer. Später ging er wesentlich brutaler vor. Meine Nachfolger sperrte er bis zum bitteren Ende ein. Sie starben in totaler Finsternis, unten in seinem Keller.«
Als Joe aufblickte, weinte die Bibliothekarin. Joe
Weitere Kostenlose Bücher