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Schängels Schatten

Titel: Schängels Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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unmöglich, dass sich das Geld zwanzig Jahre in einer Spalte in dieser Wand hält. Falls Carola Zerwas es überhaupt da versteckt hat. Wahrscheinlich hat sie das Geld ganz einfach ausgegeben. Und mir hat sie die Geschichte nur als Köder hingeworfen. Damit ich ihr bei der Recherche helfe.«
    »So wird es gewesen sein. Trotzdem will ich ganz sicher gehen.«
    »Was heißt das?«
    Nickenich lehnte sich zurück. »Ich lasse die Wand absuchen.«
     
    Das Schauspiel wurde zum Fest für die Touristen. Unzählige Male dürfte es auf Videos und Fotos festgehalten worden sein.
    Die Beamten der Spurensicherung, die mit ihren Helmen und Schutzbrillen wie Bergsteiger aussahen, seilten sich von der oberen Mauer der Festung ab und tasteten sich Stück für Stück durch den Felsen. Nickenich ließ die Männer nicht nur oberhalb des Pagenhauses klettern, sondern auf der gesamten Breitseite des Felsens.
    Sie fanden Plastiktüten, Zigarettenschachteln und anderen Müll – sogar ein paar Münzen tauchten auf.
    Die Million blieb jedoch verschwunden.
     

22
    Einige Tage später saß Mike in der Bar des Hotels Bergischer Hof in Düsseldorf und spielte Klavier. Manchmal geriet er von dem Song, den er gerade klimperte, in eines der Themen, die er in seinem Notenheft aufgeschrieben hatte. Carolas Telefonnummer, Anitas Telefonnummer …
    Er brachte ein Stück zu Ende, das eigentlich etwas Beschwingteres hätte sein sollen – »The Lady is a Tramp« –, das aber mit seinen Improvisationen ziemlich melancholisch geworden war. Seine Gedanken kamen von den Ereignissen nicht los. Vor allem der Moment, in dem er Anita noch einmal gegenübergesessen hatte, verfolgte ihn. Nickenich hatte ihm doch noch erlaubt, mit ihr zu sprechen. Es war sinnlos gewesen. Sie hatte ihn nur angestarrt, ohne ein Wort zu sagen. Nach zehn Minuten war er wieder gegangen.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie sich ein Mann dem Flügel näherte. Das war selten. Normalerweise kamen Frauen.
    Mike ließ das Stück in einer Dreiklangsbrechung bis in den allerobersten Diskant ausklingen.
    »Herr Engel?«, sagte der Mann. »Dürfte ich Sie einen Moment sprechen?«
    »Möchten Sie ein bestimmtes Lied hören?«, fragte Mike.
    »Nein, es geht um etwas anderes. Es geht um Carola Zerwas.«
    Mike sah sich um. Milan war wieder dabei, Gläser zu polieren, ansonsten war die Bar leer.
    »Wer sind Sie?«, fragte Mike.
    »Könnten wir uns da rübersetzen?«
    Mike nickte, und sie nahmen jeder in einem Clubsessel Platz. Milan sah neugierig herüber.
    Der Mann griff in die Innentasche seines Sakkos und holte einen zusammengefalteten Briefumschlag und eine Visitenkarte hervor. Er legte die Karte auf den Tisch.
    »Mein Name ist Robert Zimmermann. Ich bin Rechtsanwalt.«
    Mike nahm die Karte.
    »Ich habe eine Kanzlei hier in Düsseldorf«, fuhr der Mann fort. »Frau Zerwas war meine Mandantin.«
    »Sie sind der Bekannte aus Düsseldorf«, sagte Mike.
    »Wie? Ja, ich kenne Carola Zerwas schon lange. Ich bezweifle aber, dass sie Ihnen von mir erzählt hat.«
    »Was wollen Sie von mir?«
    »Zunächst muss ich Sie um etwas bitten. Können Sie sich ausweisen?«
    »Wie bitte?«
    »Damit alles seine Richtigkeit hat, müsste ich Ihren Personalausweis sehen.«
    »Worum geht es denn?« Mike sah, dass Milan das Gläserputzen eingestellt hatte und jetzt mit den Ellbogen auf dem Tresen lehnte und unverhohlen herüberstarrte. Mike warf ihm einen bösen Blick zu. Milan zuckte mit den Schultern und wandte sich ab.
    »Es ist ganz einfach, Herr Engel. Ich soll Ihnen diesen Umschlag aushändigen. Wir können das auch morgen in meiner Kanzlei machen, aber ich dachte, das sei nicht unbedingt nötig.« Zimmermann lächelte.
    »Wo kommt der Umschlag her?«, wollte Mike wissen.
    »Haben Sie Ihren Personalausweis dabei? Es ist nur eine Formalität.«
    Mike nickte und holte das Plastikkärtchen aus der Brieftasche. Der Mann kontrollierte es kurz.
    »Der Umschlag ist von Frau Zerwas. An Sie auszuhändigen im Falle ihres Todes.«
    Mike befühlte das braune Papier. »Was ist da drin?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es Frau Zerwas sehr wichtig war, dass Sie ihn bekommen und nicht etwaige Erben. Sie hat mich beauftragt, immer darauf zu achten, dass sie Ihre Adresse kennt. Und sie wollte immer wissen, wo Sie arbeiten. Seit Jahren kümmere ich mich darum. Könnten Sie bitte hier noch quittieren, dass Sie den Umschlag verschlossen erhalten haben?«
    Mike unterschrieb ein kleines Formular. Dann verabschiedete sich

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