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Schängels Schatten

Titel: Schängels Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Merkurtempel kenne ich aber. Ich zeige ihn dir.«
     
    Sie schlugen den Weg ein, von dem vorhin die Wanderer gekommen waren. Es ging direkt in den Wald, stetig bergauf. Nach einer Weile wurde es auf der linken Seite hinter den Bäumen heller. Eine Lichtung tauchte auf. Sie lag auf einer Anhöhe, und sie mussten noch einmal ein steiles Stück bewältigen, um dorthin zu gelangen. Schließlich erreichten sie einen freien Platz, auf dem niedrige Mauern zu erkennen waren.
    Auf der einen Seite erhob sich ein weißes Schild mit einer Skizze und einem längeren Text. Das Bild zeigte einen Grundriss und die schematische Ansicht einer kleinen burgähnlichen Anlage.
    »Was es nicht alles zu entdecken gibt«, sagte Anita, die an der Erklärungstafel stand und das Areal überblickte. »Da haben die alten Römer doch tatsächlich hier im Wald einen Tempel gehabt.« Sie überquerte die niedrige Mauer und näherte sich dem Zentrum des großen Quadrates. Mike studierte weiter die Zeichnung. Er verglich die Uberreste vor sich mit der Abbildung und marschierte stracks in den Wald. Am Rande des Geländes ging es plötzlich steil nach unten. Mike erkannte alte, unregelmäßige Stufen, die hinunterführten. Sie waren mit Moos und Flechten überzogen, so dass sie sich kaum vom Waldboden abhoben.
    Mike stellte sich vor, er wäre ein römischer Kaufmann, der im Hunsrück unterwegs war und hier Halt machte, bevor er mit seinen Pferden oder was auch immer zur Moselmündung hinunterzog. Zu der Siedlung, die damals noch »Confluentes« hieß …
    War Carola hier gewesen?
    Plötzlich kam ihm eine neue Idee. Natürlich! Es gab hier hohe Bäume. Soweit Mike das einschätzen konnte, waren sie auch ziemlich alt. Bäume, an denen man hochklettern konnte. Hatte Carola vielleicht hier irgendwo das Geld versteckt? Auf einem Baum?
    Unsinn, sagte er sich. Das konnte nicht sein. Carola hätte das Versteck dann sicher nicht mit dem Kaiserdenkmal-Symbol auf einem Stadtplan markiert. Seine Gedanken gingen etwas durcheinander.
    Das Geräusch sich nähernder Schritte riss ihn aus seinen Überlegungen.
    »Wo warst du denn?«, rief Anita neben ihm. »Ich hab dich gar nicht mehr gesehen.«
    »Ich wollte nur mal das Terrain sondieren.«
    Anita drehte sich um. Stimmen näherten sich. Auf dem Wanderweg hinter den Bäumen flitzte eine Gruppe Fahrradfahrer mit unglaublicher Geschwindigkeit zur Eisernen Hand hinunter. Dabei riefen sie sich etwas zu. Man sah nur für ein paar Sekunden ihre roten und gelben Trikots zwischen den Baumstämmen und dem Laub; dann waren sie weg.
    »Du hast schon Recht«, sagte Anita. »Da unten am Fuß der Treppe – das ist ungefähr die Stelle, wo das Zeichen in der Karte steht. Wenn man es ganz genau betrachtet.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Schau.«
    »Aber zu finden ist nichts.«
    »Lass uns noch mal alles überprüfen. Vielleicht finden wir einen Hinweis, wenn wir uns ein bisschen im Wald rumtreiben.«
    Mike nickte. Es war hier im Schatten einigermaßen auszuhalten. Sie hielten sich immer parallel zum Wanderweg, auf dem schon wieder Gruppen von Touristen auftauchten. Sie stolperten über quer liegende Stämme, sahen hinter niedrigen Bodenerhebungen nach, umrundeten dicke Bäume und Gebüsch. Aber es war nichts zu finden. Nur Wald, Wald und nochmals Wald.
    Der Parkplatz an der Eisernen Hand kam wieder in Sicht. »Ich glaube, das bringt nichts«, sagte Mike.
    Die Pfadfinder waren immer noch da. Sie rannten jedoch nicht mehr herum, sondern hatten sich in Gruppen aufgeteilt. Offenbar hatte die Prüfung begonnen. Mike erinnerte sich, dass Klassenkameraden von ihm auch Pfadfinder gewesen waren. Sie hatten Geschichten von den Sommerlagern erzählt. Von Nachtwanderungen und spannenden Spielen …
    Anita war schon vorausgegangen und stand vor dem Wagen.
    »Schade«, sagte Mike, als er die Tür aufschloss. »Davon hatte ich mir wirklich mehr versprochen. Jetzt sind wir keinen Schritt weiter gekommen.«
    Anita setzte sich, und Mike beobachtete, wie ihr Kleid am Bein ein Stück hoch rutschte.
    »Was ist denn das da?«, fragte sie und deutete auf die Windschutzscheibe.
    Er stieg wieder aus. Ein ordentlich zusammengefaltetes Papier steckte hinter dem Scheibenwischer. Er öffnete es und fasste sich an die Stirn. »Das glaube ich jetzt nicht.«
    »Was ist los?«
    Mike setzte sich wieder in den Wagen und zeigte Anita die Botschaft. Sie war in schwarzen Blockbuchstaben verfasst. »Wenn Sie finden wollen, was Sie suchen, kommen Sie heute Nacht um null Uhr

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