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Schängels Schatten

Titel: Schängels Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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stimmt. Dein Kleid ist ganz schön auffällig. Nimm wenigstens den Hut ab.«
    Anita legte ihn zur Seite. »Vielleicht sollte ich insgesamt etwas zur Tarnung beitragen. Es ist sowieso ziemlich warm. Und hier weht ja ein herrlicher Wind. Wow!« Mit einer einzigen Bewegung streifte sie sich die Träger des Kleides herunter und ließ das luftige Kleidungsstück an sich herunterrutschen. Eine Sekunde lang dachte Mike, sie wäre darunter nackt, aber sie trug einen weißen BH und einen Slip. Beides immerhin so durchsichtig, dass Mike die Größe ihrer Brustwarzen und einen dunklen Schatten zwischen ihren Beinen erkennen konnte. Sie trug sonst nichts außer ihrer Sonnenbrille.
    »Hast du noch nie eine Frau in Unterwäsche gesehen?«, sagte sie. »Soll ich den Rest auch noch ausziehen? Ich hätte nichts dagegen bei der Hitze.«
    Mike spürte, wie sich in seinem Mund Trockenheit ausbreitete. Und das hatte nichts mit der Temperatur zu tun.
    »Ist schon gut«, sagte er.
    Anita setzte sich auf den Felsen. Die Moselvariante der Loreley, dachte Mike.
    »Während wir abwarten«, sagte Anita, »schauen wir uns mal Carolas Stadtplan an.«
    »Glaubst du, der bringt uns weiter?«
    »Probieren geht über studieren.«
    Sie beugte sich vor und breitete das Papier zwischen den Steinen aus. Mike erkannte das charakteristische Dreieck der Koblenzer Altstadt. Darunter, unter den Ansammlungen der rosa bezeichneten Bebauung, erstreckte sich zwischen den auseinander driftenden blauen Linien, die Rhein und Mosel markierten, eine große grüne Fläche. Das war der Koblenzer Stadtwald, der Ausläufer des Hunsrücks.
    »Was ist denn das hier?«, fragte Carola. Sie strich den Plan glatt und deutete auf eine Stelle, die mitten in der großen grünen Fläche lag. Gleich neben der sich gelb dahinschlängelnden Hunsrückhöhenstraße.
    »Da ist tatsächlich was eingezeichnet«, sagte Mike. »Das gibt’s doch nicht.«
    »Und es ist nicht irgendwas.«
    »Ganz und gar nicht. Ich glaube, das ist ziemlich genau das, was wir suchen.«
    *
    Der Mercedes rollt unermüdlich steile Straßen hinauf. Es geht an einem kleinen Park vorbei, und schließlich bremst der Wagen vor einer dichten Hecke, die neben einem verzierten Eisentor abbricht. Das Haus dahinter kauert unter einem welligen Schieferdach.
    Dort empfängt ihn der Geschäftspartner, den er so lange nicht gesehen hat.
    Eine halbe Stunde vergeht mit Begrüßung und dem Austausch gemeinsamer Erinnerungen. Dann folgt eine weitere Autofahrt. In einer Lagerhalle warten Männer. Einer geht in einen Nebenraum und kommt mit einem großen Koffer zurück, der merkwürdig aussieht. Tarnung, erklären sie ihm.
    *
    Das Ding, das mit Filzstift in den Stadtplan hineingezeichnet war, bestand aus drei horizontalen Linien, die eine Art stilisierte Pyramide darstellten. Darüber erhob sich etwas Verschnörkeltes, das aus zwei verschieden großen Ovalen bestand. An der rechten Seite schien an dem großen Oval etwas herunterzuhängen, das an einen kleinen Korkenzieher erinnerte. Ein senkrecht hingekrakeltes Strichmännchen sah aus, als würde es auf dem großen Oval sitzen.
    »Denkst du, was ich denke?«, sagte Anita.
    Mike nickte. »Die drei Linien sind der Sockel. Das Gewurstel in der Mitte ist ein Pferd, und das Männchen ist der Kaiser. Carola hat das Denkmal in den Plan gezeichnet.«
    »So sehe ich das auch.«
    »Warum hat die Polizei den Plan nicht mitgenommen?«
    »Darüber haben wir doch gesprochen. Weil sie ihm keine Bedeutung beigemessen hat. Die Polizei will den Mord aufklären. Die können doch gar nicht wissen, wie das alles zusammenhängt. Mensch, Mike, jetzt haben wir doch genau, was wir wollten. Wir haben einen Hinweis auf eine Stelle, für die sich Carola interessiert hat. Fahren wir hin und schauen wir nach.«
    »Das kommt mir alles sehr merkwürdig vor.«
    »Ist es ja auch.«
    Mike nahm den Hut ab und kratzte sich am Kopf. »Das meine ich nicht. Dieser Hinweis ist so plakativ. Ein Wink mit dem Zaunpfahl. Wenn diese Stelle für Carola eine Bedeutung hätte, dann hätte sie doch nie und nimmer den ganzen Kaiser da reingemalt. Sie hätte vielleicht ein Kreuz gemacht, um sich die Stelle zu merken.«
    »Aber der Hinweis ist doch nun mal da. Glaubst du, jemand hat den Plan ins Auto gelegt, in der Hoffnung, dass wir kommen und ihn finden?«
    »Nein, aber vielleicht, damit die Polizei ihn findet.«
    Anita legte ihm die Hand auf die Schulter. »Du denkst an Carola, oder? Weil das hier euer Geheimplatz war.«
    »Ja. Ich

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