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Schängels Schatten

Titel: Schängels Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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dem Geld?
    Mike spürte, wie ihm eine Gänsehaut den Rücken hinunterlief. Belauerte ihn Anita? Wartete sie darauf, dass er eine Bemerkung über das Geld machte? War die Suche nach dem Denkmal nur ein Vorwand? Fehlte ihm vielleicht eine entscheidende Information? Und Anita fehlte vielleicht eine andere?
    Andererseits war sie aber auch ziemlich ängstlich gewesen und hatte gleich die Polizei holen wollen. Das passte nicht dazu. Wenn sie sich wirklich an ihn gehängt hatte, weil sie etwas über das Geld wusste, und wenn es auch nur eine Andeutung war, dann wäre sie doch zumindest zu diesem Treffen mitgegangen. Aber sie hatte ja mitgehen wollen … Was also wollte die Frau eigentlich?
    Mike wurde in seinen Gedanken unterbrochen, als von irgendwoher Musik erklang. Er lauschte. Die Noten stachen deutlich aus dem Lärm von den verschlungenen Straßen heraus. In dem Haus, das von den Betonbahnen fast erwürgt zu werden schien, spielte jemand Klavier. Eine der frühen Mozartsonaten, stellte Mike fest. Im matten Schein einer Straßenlampe erkannte er eine Hecke, die das Grundstück umgrenzte. Mike huschte hinüber. Hier war das Klavierspiel besser zu hören. Der Musiker, der da am Werk war, hatte einiges drauf.
    Plötzlich spürte Mike Nässe an den Händen. Gleichzeitig hatte er das Gefühl, von irgendetwas am Kopf getroffen zu werden. Dicke, warme Tropfen. Auf einmal versank das beständige Brummen der Motoren mitsamt der Mozartsonate in einem immer stärker werdenden Rauschen. Er blickte zu seinem Wagen hinüber, auf den der Regen niederprasselte.
    Plötzlich blitzte es, und die Figur hinter der nassen Seitenscheibe des Peugeot erschien verblüffend echt. Donner krachte und schien zwischen den Pfeilern und Bahnen herumzurollen. Irgendwo begann es unter dem Rauschen des Regens zu glucksen. Das Wasser sammelte sich in den Gullis.
    Mehrere Blitze zuckten. Der Regen glänzte im grellen Schein wie ein gläserner Vorhang. Mike versuchte vergeblich, dahinter den Wagen zu erkennen. Der Donner rollte unbarmherzig weiter. Wieder und wieder.
    Mike wartete, bis es wieder blitzte. Sein Auto wurde kurz beleuchtet. Irgendetwas hatte sich an der Scheibe verändert. Sie wirkte stumpf; die Figur dahinter schien von irgendetwas verdeckt zu werden. Mike sah auf seine Armbanduhr, aber das Zifferblatt war kaum zu erkennen. Mit nassen Fingern suchte er sein Feuerzeug heraus. Es war kurz nach halb eins. Mike wartete weiter, umtost von einem Geräuschgemisch aus Wasserrauschen und Motorlärm.
    Als der Regen endlich etwas nachließ, rannte er zum Wagen hinüber. Er tastete nach der Scheibe. Vor Schreck wurden seine Knie weich. Das Glas war geborsten. In der Mitte, genau auf der Höhe des zusammengeknäulten Kissens, hatte die Scheibe ein kleines Loch. Als hätte jemand mit großer Kraft einen Stein hindurchgeworfen. Aber es war kein Stein gewesen.
    Voller Panik rannte er weg. Keine Sekunde zu früh. Ein zweiter Schuss peitschte und traf irgendetwas neben Mike, der sich gerade durch triefend nasses Gebüsch kämpfte. Vor ihm begann ein kleiner Pfad, der, soweit Mike das erkennen konnte, in eine Art Wildnis mit weiteren Büschen und Bäumen führte. Dort musste es zum Rhein gehen. Mike hielt sich links, zur Stadt hin. Er rannte die Straße entlang, wie er seit den Bundesjugendspielen nicht mehr gerannt war. Zum Glück regnete es kaum noch. Irgendwann kam er am Oberwerther Freibad an.
    Von grimmigem Seitenstechen geplagt, fand er die Brücke auf die andere Seite der Rheinlache. Völlig erschöpft stoppte er neben einem Hinweis auf die Kaiserin-Augusta-Anlagen. Er versuchte zu lauschen, aber sein eigener Atem machte solchen Lärm, dass er jedes andere Geräusch übertönte.
    Auf der Mainzer Straße quälte er sich weiter. Er musste zu Anita. Wenn man es auf ihn abgesehen hatte, war auch Anita in Gefahr.
    Er kam an einer Telefonzelle vorbei und wollte sie anrufen, dann fiel ihm ein, dass seine Telefonkarte im Wagen war. Wie sein Geld und seine Papiere.
    Ab und zu kam ein Auto vorbei. Zweimal ein Taxi, doch ohne Geld würde man ihn kaum mitnehmen.
    Mike hätte keinen Meter mehr weiterlaufen können, als er bei Anita klingelte.
     
    »Ich habe doch gleich gesagt, dass es gefährlich ist, sich auf dieses Treffen einzulassen.« Anita saß auf dem Sofa. Sie trug wieder ihren gelben Bademantel.
    Die Beleuchtung war sanft. Von der offenen Terrassentür kam leichter Wind – kühl vom Regen. In Mike brodelte es. Es wurde ihm selbst erst klar, als er merkte,

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