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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
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automatisch sah er auf das Nummernschild. Es war nicht ganz zu erkennen, blitzte nur einen Moment auf, eine kurze Sekunde vielleicht: N und dann etwas mit P? Zwei Ziffern, eine davon eine 9? Er hätte es nicht sagen können, aber so prägte es sich ihm ein, aus welchem Grund auch immer. Vielleicht durch die leichte Spannung? Ein bisschen auch aus Empörung, dass hier so spät und so tief im Wald überhaupt ein Auto fuhr. War es der Förster, wäre es okay, aber sonst hätte hier niemand etwas zu suchen. Der Förster aber fährt einen Geländewagen, kein SUV. Das dachte sich Weber und behielt die Bruchstücke im Kopf.
    Das Auto fuhr langsam auf dem Weg vorbei, verschwand im Dunkeln, das Geräusch ebbte ab. Abgas wehte herüber, ein Hauch nur, aber störend, nach Diesel, dann rochen wieder die Wurzeln. Pilzig und würzig nach Wald.
    Ein kleiner Vogel kreuzte noch oben den Himmelsausschnitt, ein Rotkehlchen, nahm er an, irgendwo weit weg schimpfte ein Häher, dann noch einmal, dann wieder das Rascheln, das Knistern, sonst nichts. Ein, zwei Fledermäuse durchflatterten lautlos den Himmelsraum. Vereinzelt knackte es laut, wie ohne Grund. Kein Ziegenmelker zu sehen, auch jetzt nicht, schon weit nach Sonnenuntergang. Doch Pal Weber hatte noch Zeit.
    Wie lange hatte er gesessen, gewartet, geträumt? Er wusste es nicht. Fast dunkel war es jetzt im Wald, allein das Mondlicht benetzte die Lichtung, das Taglicht war gänzlich verschwunden. Viele Käuzchenrufe hatten bis dahin gehallt, die Richtungen ständig wechselnd. Wahrscheinlich die Jungen, schon flügge, die fordernd nach Mahlzeiten riefen. Und die Eltern, die jagten und fütterten. Familien im Zwiegespräch. Vielleicht aber war es auch anders, egal. Er erzählte sich oft solche Geschichten. Hin und wieder streifte ein Kauz durch die Lichtung, lautloser Flug wie mit stumpfem Kopf.
    Pal Weber war in Gedanken. Jetzt schreckte er auf: das Auto. Es kam zurück, ganz langsam, ohne Licht. Fast sanft knirschte der Schotter unter den Reifen, doch klang das jetzt schleichend, bedrohlich. Wer so langsam fährt, beobachtet. Das war die Sprache dieses Fahrens. Und wer so langsam fährt und beobachtet, erregt sofort Verdacht. Der sucht etwas – oder späht, ob er gesehen, beobachtet wird.
    Auf Höhe der Lichtung hielt der Wagen an. Kein Knirschen mehr. Stand eine Zeit lang, dann wurde der Motor ausgeschaltet. Stille. Die Fenster surrten auf, dann wieder Stille. Pal Weber in seiner Kuhle. Dann öffnete sich die Tür, eine Person stieg aus, prüfte, sah sich um. Ein Mann, er trat auf die Lichtung. Ging ein paar Schritte hin und zurück, blieb stehen, lauschte. Ging zum Auto zurück, holte etwas heraus. Etwas Kleines, nicht genau zu erkennen. Legte es auf der Lichtung ab, hantierte daran herum. Hob einen Stein auf, wog ihn, nahm einen neuen. Ging in die Hocke, griff in seine Jackentasche und holte ein Bündel heraus. Eine Schnur. Verband sie mit dem Stein oder dem Gegenstand. Rollte die Schnur aus, zum Auto hin. Dann stand er ruhig und lauschte. Ging in die Hocke, duckte sich tief, zog an der Schnur. Der Mann jetzt im Mondschatten des Autos. Was für scharfe Schatten doch der Mond werfen kann, dachte Pal Weber. In diesem Moment knallte es. Ein scharfer, trockener Knall, hoch und aggressiv, ein grell blendender Blitz, mehr weiß als gelb oder rot, Erde und Sand spritzten auf und rieselten durch Webers Wurzelversteck. Kaum ein Echo im Wald. Es roch ein wenig metallisch, ein wenig nach Feuer und Explosion. Fast wie nach Schweißgerät. Weber war wie erstarrt. Sah in die Nacht und sah nichts. War geblendet und fast taub. Dann schlug die Autotür zu, leise startete der Motor, und wieder knirschte der Weg. Jetzt fuhr der Wagen schneller.
    Pal Weber kam langsam wieder zu Sinnen. Kurz noch tauchte das Bremslicht einen Teil des Waldes in Rot, dann verschwand das Fahrzeug lichtlos zwischen den Bäumen, das Geräusch kurz darauf. Dann wieder Stille. Oben am Himmel zog ein Jet im Mondlicht seine Kondensstreifenbahn, leise und nachschleppend drang das Flugdröhnen herunter. Aus der Ferne wieder ein Käuzchenschrei, ein weiterer, die Laute der Nacht kehrten zurück. Der Puls klopfte Pal Weber in den Ohren.
    Was war das gewesen? Es war ihm unheimlich und unwirklich zugleich. Er wollte jetzt weg, traute sich aber nicht. Ob das Auto noch einmal käme? Dieser unheimliche Mann? Den Ziegenmelker konnte er jetzt vergessen. Der würde sich nicht mehr zeigen.
    Pal Weber wartete ab. Und spürte Angst. Das war

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