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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
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irgendjemanden erinnern Sie mich. Sie waren riet scho mal hier?«
    »Nein, sicher nicht. Ich hatte bis vorhin keine Ahnung, dass es dieses Wirtshaus gibt.«
    »Und wieso kommen S' dann rein?«
    »Einfach nur so, aus Interesse.«
    Aber er merkte: Fränkischen Frauen konnte man nichts vormachen. Die Alte war misstrauisch geworden.
    »Lügen S' net. Das glaub ich Ihnen net.«
    Die Alte sah ihn forschend an. Hellwache, kleinbrennende Augen, dicht faltenumlegt.
    »Ja, ja, Sie haben recht, es stimmt nicht.«
    Behütuns hatte schon kapituliert. Und er hatte es gern getan. Denn genau hier war der Knackpunkt.
    »Hab ich doch g'wusst. Das hat ja noch nie jemand g'macht, riet ahmoll in 60 Jahrn. Einfach so reinkommen aus Neugier, und am Sonntagabend scho gar net. Da fahrn die Leut rum, da kommen's aus der Fränkischen, da wolln's nach Haus aufs Kanapee.«
    Noch immer sah sie ihn prüfend an.
    »Also, warum sind Sie hier?«
    Behütuns druckste keinen Moment. Jetzt mit der Wahrheit raus, ganz direkt auf den Punkt. Anderes hatte bei der Alten keinen Zweck. Keine Spielchen! Die Alte wollte es direkt.
    »Ich bin auf der Suche nach Namen.«
    »Na also dann, mal los!«
    Die Alte ging wirklich keine Umwege. Behütuns zog sein Notizbuch hervor.
    »Sie senn vo der Polizei.«
    Auch das kam bestimmt. Reine Feststellung. Keine Ausflüchte denkbar. Die Alte war wirklich erstaunlich. Behütuns nickte. Dann las er seine Namen vor, jeden einzeln für sich.
    »Sauer. Schrader. Hölzer. Pitsch.«
    »Tisch drei.«
    Das hatte keine Sekunde gedauert.
    Senkrecht schoss Behütuns' Puls nach oben. Er wartete, sah die Alte an. Das klang nach einem echten Volltreffer!
    »Mein Gott, ist das lang her.«
    Die Alte schwieg. Eine Fliege landete auf ihrer dünnen Hand.
    Nichts.
    Die Fliege krabbelte, putzte sich.
    Nichts.
    Die Fliege flog weg.
    Die Alte nestelte ein Taschentuch aus ihrem Schürzenkittel und wischte sich damit die Augen.
    »Mein Gott, ist das lang her …«
    Es waren Tränen, die sie sich wegwischte. »Das sind doch ganz bestimmt scho 40, 50
    Jahre …«
    Und dann erzählte sie.
    Die vier hätten hier immer gekartelt. Waren ein fester Tisch gewesen, der Schorla dabei manchmal der Brunzkaddler.
    »Die saßen immer an Tisch drei. Das is der da, an dem wir sitzn. Der Schorla war ah so einer. Aber der steht ja riet auf der List'n. Irg'ndwann ging das dann ausernander, der eine is dahin, der ander da, wie des so is im Leben. In den 70ern muss das g'wesen sein. Es bleibt ja kaum einer mehr da. Aber das erzähl ich gleich noch. Die vier warn a wilder Haufen. Ham manchen Blödsinn g'macht. Aber auch das war früher anders, da hat ma' noch aus'teilt. Man hat ja auch einsteckn müssn. Früher, da hat's ka Kerwa ohne Rafferei ge'hm, das gehörte einfach dazu. Hat man sich riet ‘prügelt, hieß es, da war nichts los. Aber wenn die damals g'rafft ham, dann ham die g'rafft, nichts mit Bierkrüg und Messer und so, oder mit Eintreten aufn andern oder mehrere gegen einen. Das hätt' sich mal einer trauen solln! Ja, die vier ham scho manchen Blödsinn g'macht.«
    Fliege Nummer drei musste gerade daran glauben. Dann legte die Alte die Hände in den Schoß, nestelte an ihrer Schürze.
    »Also der Richard Sauer, den haben alle nur ›Risch‹ genannt«, erzählte sie. Der habe immer da gesessen. Und sie zeigte auf den Platz gegenüber.
    »Der war immer aweng anders. Hatte studiert, das hatte damals ja keiner sonst. Warn alles ganz einfache Leut. Wie die Leut so warn. Aber heut studiert ja jeder. Trotzdem aber war der Risch immer einer von hier, auch wenn sei Vadder riet von hier war. Dem Risch aber hast du das riet ang'merkt, das Studieren, der war nich wie a Besserer. War immer ganz normal. A guter Kerl. Später war er dann weg und in der ganzn Welt. In Brasilien, in Persien, was weiß ich. Hat Atomkraftwerke gebaut. Der soll heute in Brasilien leben, erzählen sie hier, wenn der noch lebt, schon lange. Aber darüber weiß ich nichts, das erzähln nur so die Leut. Der Risch war halt irgendwann weg und ich hab'n nie mehr g'sehn. Der kam auch nie mehr hierher. Reich soll er sein, sagen die Leut. Mehr kann ich über den Risch riet sagn.«
    »Wissen Sie, ob er Kinder hatte?«
    »Geheiratet hat er g'habt, ham die Leute g'sagt. Aber riet hier, ich hab die Frau riet ‘kannt. Ich glaub das war in Amerika, und Kinder? Keine Ahnung. Darüber weiß ich nichts.«
    Sie zeigte auf den anderen Platz gegenüber.
    »Der Schrader hat immer da gesessen.«
    Das war der Platz

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