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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
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gewesen, zwischen den Häusern hindurch ins Land. Heute schaust du auf Großmärkte, Silos, Hallenwände. Im Kreisverkehr fuhr er nach rechts, er wollte jetzt auf die Autobahn, weg von hier, A 73, Frankenschnellweg – Franken? schnell weg! – Richtung Nürnberg. Und da! Auf der linken Seite ein Haus, älter als all das Industriegebietszeug, und senkrecht zur Straße ein Wirtshausschild. »Zur Einkehr, Inh. H. Stock«. Scharf fuhr er nach rechts durch den Kies und raus auf den Bahnhofsparkplatz. Kein Auto außer dem seinen hier. Das Wirtshaus sah nicht sehr besucht aus, wahrscheinlich war es auch zu. Prüfend sah Behütuns hinüber, während er sein Auto abschloss. Er hatte noch eines mit Schlüssel.
    Nichts deutete darauf hin, dass das Wirtshaus geöffnet habe. Nicht einmal ein an die Mauer gelehntes Rad.
    Behütuns wartete den Verkehr ab und überquerte die Straße.
    Die Tür ließ sich öffnen. Ein Vorraum, dann alter Zigarettenrauch- und Ölofengeruch. Ölofengeruch, mitten im Sommer! Der Gastraum offen und lichtlos, die Fenster zur Straße hin, nach Norden, die Vorhänge zugezogen. Im Dämmerlicht vor dem Tresen ein Stuhl, darauf eine alte Frau, scheinbar eingenickt. Langsam hob sie den Kopf.
    »Zeann Essn hommer fei niggs.«
    »Grüß Gott erst einmal«, gab Behütuns freundlich zurück. In dieser abweisenden Muffeligkeit fühlte er sich sofort zu Hause. Derhamm.
    »Aber ein Bier?«
    »Könner S' hab'm.«
    Dürr war die Frau, spindeldürr. Eigentlich kann man das nicht mehr sagen, dachte der Kommissar, denn keiner weiß ja mehr, was eine Spindel ist. Zerbrechlich wirkte sie, Arme und Fesseln kaum tennisschlägergriffdick. Ein Lächeln huschte über sein inneres Gesicht. Saublöder Vergleich, aber wie es sonst sagen?
    Die Alte, sie mochte wohl 80 sein, wirkte trotzdem recht drahtig. Sie öffnete den Sicherungskasten, machte das Licht an. Erst eines, »da?«, dann ein anderes, »oder da?« Behütuns zeigte ins Eck. Gelblich das Licht über dem Tisch, klack, klack, die anderen schaltete sie wieder aus. Nur das über dem Tresen blieb an. Sie brachte das Bier, ein Seidla, und setzte sich zu ihm hin, seitwärts auf die Bank.
    »Nicht sehr viel los hier, gell?«, startete Behütuns einen Versuch.
    Blitzschnell fing die Alte eine Fliege von ihrer anderen Hand und zerrieb sie auf ihrem Unterarm. Machte sie rund. Ließ sie dann auf den Boden fallen, trat drauf.
    »Ja, ja, die Zeiten sind vorbei.«
    »Seit sie den Supermarkt drüben ‘baut ham, die Tankstell und ‘n Kreisverkehr, verirrt sich kaner mehr her.«
    »Aber Sie machen trotzdem noch weiter.«
    Irgendwie kam er sich vor wie bei Gernstl unterwegs. Ein Gespräch führen und irgendwie steuern.
    »Na ja, eh ich nichts tu. Ich war hier mei Lebn lang, da kann ich die letztn paar Tag das auch noch machen. Auch wenn kaner mehr kommt.«
    »Und es kommt wirklich keiner mehr?«
    »Ach, hin und wieder einer ausm Dorf.
    Aber seltn. Nur Freitagahmd spielen's Karten.«
    »Am Freitagabend ist es hier voll?«
    »Zwei Tische, manchmal drei. Aber meistens nur zwei, mit Brunzkaddler. Sonst geht die Sach' ja riet auf.«
    »Aber dann machen Sie schon etwas zum Essen?«
    Wieder fing die Alte eine Fliege. Behütuns staunte erneut, wie schnell sie war.
    »Kein Misthaufen in der Näh', und trotzdem immer die Fliegen! Aber scho wieder anne weniger.« Sie zerkrümelte sie zwischen den Fingern, ließ sie zu Boden fallen, trat drauf. »Weiß gar net, wie viel tausend ich scho derschlohng hab. Nein, so richtig zum Essen nichts mehr. Bratwürst' mit Brot oder ein Käs'brot, manchmal noch Bratwurstg'häck, das aber eher selten. Seit es im Dorf kan richtigen Metzger mehr gibt …«
    »Und hier beim Rewe?«, Behütuns dachte an den neuen Supermarkt gleich hinter dem Haus, »da kriegen Sie keins?«
    »Ach genners, das is doch ka Fleisch. Nur lauter Wasser und Dreeg. Ich hab's mei Leben lang vom Metzger geholt, ein besseres kriegen Sie nicht.«
    Behütuns verstand das gut.
    »Wenn die hier karteln, was wird da gespielt?«
    Natürlich wusste Behütuns das. Hier spielte man Schafkopf, sonst nichts. Aber er wollte das Gespräch in Richtung Kartenspiel lenken, das war ja das Stichwort von den Schandmäulern aus den Drei Linden gewesen. Vielleicht konnte er ja irgendetwas erfahren.
    »Schafkopf natürlich, was sonst? ‘n kurzen Vierer. Wissen S', was des ist?«
    Behütuns lachte. »Klar. Bei uns spielt man aber den langen.«
    »Ach so, a Närmbercha!«
    Sie sah ihn etwas prüfend an: »An

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