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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
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daneben.
    »Beim Schrader ist das ganz anders. ›Usch‹ ham sie den genannt. Der lebt heut am Chiemsee, sagen sie. Is aber a alter Mann. Der hat scho zwei Schlaganfälle g'habt, das wird nichts mehr mit dem, sagn die Leut. Sitzt im Stuhl und kann nichts mehr machen. Kriegt nichts mehr mit. Hört nicht mehr, kann nimmer reden. Der sabbert nur noch, sagen sie. Der Schrader hat damals die Tankstelle g'habt, untn, wenn S' nach Erlang' reinfahrn, auf Derlang. Da sieht ma heut nichts mehr davon, da is heut die Autobahn. Da bei den Werkern, zwei Häuser stehn da noch. Früher war das a ganze Siedlung. Aweng verrufen, aber das stimmte nicht. Das ham die Leut nur so g'sagt. Heut ist da der Damm mit der Autobahn drauf.
    Da – aber das kommt dann beim Maschder. Ja, der alte Schrader lebt noch … – aber Leben kann man das riet nenn'n. Damals mit der Autobahn hat der alles verkaufen müssen, aber viel Geld ‘kriegt dafür. Hat einen Block ‘baut davon, so ‘nen Wohnblock, drunten am Chiemsee, wo er Verwandte hatte, und dann den Hausmeister g'macht, von den Mieten g'lebt. Der war fleißig, aber hat viel ‘trunken. Das schaffen die Männer immer net, was zu haben und dann nicht zu trinken. Dabei kann man so alt wern, wenn man was hat. Du musst gar nichts tun, bloß riet saufen. Ich bin doch a alt g'wor'n so. Ja, der Usch, dem ging's lange gut. Jetzt geht's ihm schlecht, und Schlechtgehen dauert länger, viel länger als Gutgehen, auch wenn's riet so lange ist. Beim Schlechtgehen ist die Zeit ganz langsam, beim Gutgehen vergeht's im Flug. Und beim Usch wird es nie wieder besser. Für den wär's jetzt besser, der stirbt.«
    »Und dieser Schrader, hat der Kinder gehabt?«
    Behütuns hatte ständig mitgeschrieben.
    »‘n Sohn ja, den Hans-Joachim. Hajo ham's immer g'sagt. Aber was mit dem ist, weiß ich net. Der hat lang studiert damals, das weiß ich noch. Und mit den Eltern g'stritten. Der is dann nach Berlin, wegen dem Barras, wissen S', denn wer in Berlin g'wohnt hat, der musste da nicht hin. Aber was der dann g'macht hat – keine Ahnung.«
    Behütuns war fasziniert. Diese Frau war wie ein Geschichtsbuch. In ein paar Jahren ist das alles weg. Man sollte viel öfter mit den Alten reden. So, dachte er sich, möchte ich auch alt werden. Nur – dazu sollte ich vielleicht nicht trinken. Das ging aber nicht.
    »Könnte ich vielleicht noch ein Bier haben?«
    Behütuns deutete auf sein leeres Glas.
    Die Alte nahm es, stand auf, ging zum Tresen.
    Gelb floss das Getränk ins Glas.
    »Nach dem Maschder ham S' noch g'fragt, stimmt's? Der saß immer da, wo Sie etz sitzn. In Wirklichkeit hat der Pitsch g'heißn, der Pitsch'n Wolfgang. So hat ihn aber keiner g'nannt. Maschder, des war sei Name. Weil er immer der Kapo war.«
    Mit einem weißen, flachen Plastikschaber strich sie den Schaum ab in ein anderes Glas. Dann kam sie wieder zurück, stellte das Glas vor ihm ab.
    »Der Maschder war a ganz Schlauer. Wirklich, der war richtig schlau. Eigentlich hatte der Maurer g'lernt, aber der hatte es richtig im Kopf.
    Das mit dem Damm, was ich vorher g'sagt hab, da, wo der Schrader sei Tankstelle g'habt hat, wo heut die Autobahn drauf is. Das alles hat der Maschder g'macht. Der war schlau. Der Strauß, der hat doch damals ‘n Kanal ‘baut, ‘n Rhein-Main-Donau-Kanal. Und der Maschder hat das erkannt. Und dann hat der a paar Leute ‘kannt, die ham ihm was g'sagt. Dann hat er sich Laster ‘kauft. Einfach ganz viele Laster. Und hat sich Sand-Pitsch g'nannt. Ja, ja, das muss ich Ihnen erzählen, das weiß ja heute kaner mehr. Die am Kanal ham ja gebaggert wie die Blöden, der ist ja richtig breit. Und tief.
    Was da Erde wegg'musst hat! Und die musste man fahrn und die musste irgendwohin. Das hat der Maschder g'macht. Sand-Pitsch. Den gibt's heut noch. Hat halt die richtigen Leut gekannt. Da wurde ja immer gemauschelt damals, das war ganz normal. Und wissen S' was? Das alles ist jetzt der Damm, wo die Autobahn drauf is, der Frankenschnellweg. Aber das muss ich Ihnen erklärn. Die waren ja damals ganz schön gefuchst vom Amt, und die Erlanger, die G'studiertn, warn nicht so schlau. Die hatten den altn Kanal, und der hatte ja auch ‘nen Damm, links und rechts. Aber nicht hoch, und auch nicht breit. Und dann haben's den Erlangern von der Autobahn erzählt, was heute der Frankenschnellweg is, und dass die gut ist, aber das es gefährlich is wegen dem Hochwasser. Und dass man so eine Autobahn deshalb recht hoch baun muss, weil wenn das Hochwasser

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