Schafkopf
vor mir, also sitz ich dahinter, nicht davor. Aber: Ich hab es noch vor mir. Schön!, und nahm einen tiefen Schluck. Was macht man nur ohne Bier …
Aber der Scherbenhaufen blieb, das also stimmte: Ich, Behütuns, sitze vor einem Scherbenhaufen.
Die Männer am Tisch sagten nichts. Sie kamen alle aus dem Ort. Auch wenn Behütuns sie nicht kannte: Wer so dasaß, war von dort, wo das Wirtshaus stand. Wären diese Männer daheim, würden sie jetzt auf dem Sofa liegen, auf dem Kanapee in der Küche, dem Schäslong. Sie würden in den Fernseher gucken, Springreiten oder Zirkus oder etwas anderes. Sport. Denn die Filme mit Hans Moser kamen nicht mehr. Aber auf das Schäslong legten sie sich ohnehin, später, wenn sie heimgingen. Noch war es hier besser. Und deshalb sagten sie nichts. Außerdem war alles gesagt, schon seit Jahren. Was sollte man da noch reden?
Die drei Männer saßen am Tisch, sagten nichts. Es könnte immer so weitergehen. Behütuns fühlte sich gut. Der Staub tanzte noch immer im Sonnenlicht. Da wurde die Ruhe gestört: Zwei Frauen kamen herein. Missmutig, gehässige Über-andere-Herzieh- und Zetergesichter. Sie setzten sich zu den Männern. Und redeten auch sofort los. Über die Nachberi hier und die Nachberi dort, über Gott und die Welt. Der Staub tanzte nicht mehr im Sonnenlicht, die Fliegen hörten auf zu summen, die Lichtkontraste auf dem Boden zogen sich zurück.
Sie zogen über alles her. Gehässige Schandmäuler, sagte man hier.
Die zwei Frauen waren dick. Die drei Männer am Tisch schwiegen, höchstens dass mal einer grunzte.
Behütuns dämmerte vor sich hin, die Frauen waren ihm egal. Das Bier war gelb, die Lichtkontraste kamen langsam zurück, die Fliegen summten wieder und krabbelten über den Tisch. Die Frauen wurden zur Kulisse.
»In ganzn Tag könnst di ärchern in dera Welt.«
»Ich mich ah. Gesdern erschd widder, wasst. Die Gerda, meine Nachberi, mahnst die kehrt ihr Strass'? A su a Sauerei!«
»Hat sie's wieder riet kehrt?«
»Naa, wieder net. Und dabei hat ihr Alder in ganzn Tag Erdn g'fahrn. Die Strass' schaut vielleicht aus! Lauter Lahmerbatzn.«
»Und das am Wochenend!«
»Voller Dreck alles! Aber a G'schichtn hat's erzählt!«
»Was'n?«
»Na, von denni Mord.«
»Mord?«
»No fraili. Hast du des g'lesn von dem Sauers Jochi? In der BILD? Den's da um'bracht ham? Mei Nachberi, die Gerda, hat den fei ‘kannt, hats g'sagt. Also ned den Jochi, aber den sein Vadder, den Ding, na, den – ach is ja auch woschd.«
»Naa!! Den hat's kennt?«
»Ja!«
»Weierla! Erzähl!«
Die drei Männer am Tisch sagten nichts.
»Wart nur, des wird nu besser!«
»Allmääächd!«
»Weil – den Vadder vom andern hat's ah ‘kennt, fei, hat's g'sagt, die Gerda, den … mein Got, etz fällt der mir riet ei! Na, der aus der BILD! Wassdscho! Den Vadder vo dem aus der Schweiz, sag'mers halt, wie der heißt! Etz weiß ich doch nimmer, wie der sich nennt …! Ich hab'nern ja ah ned ‘kennt. Na also den, den's do ah um'bracht ham, dem sein Vadder, in der BILD war's doch g'standn, weißt du's nimmer? Letzte Wochn is doch erst g'wesn – nah, däi Wochng sogoa!«
»Allmächd na, die hat den ‘kennt?«
»Wennersdersohch!«
»Ich kann mich fei nimmer erinnern.«
»Mensch Gunda, des kann doch riet sein?«
»Wennersdersohch.«
»In der BILD war's g'standn. Die ganze Wochn war's voll! Immer auf der ersten Seite.«
»Des hab ich riet g'lesn.«
»Mensch Gunda, ja liest'n du gar nichts?«
»Außer mei'm Rätsel nichts, nah.«
»Also horch, mei Nachberi hat die zwei ‘kennt, also denneri Vädder, weil die warn aus Bummrait, und mei Nachberi is ah von dort, und die warn mit'nander in der Schul, fei gell! Die warn mit'nander, also riet die Gerda, aber ihr Bruder hat's g'sagt, die warn mit'nander in der Schul. Kaddld ham's immer, hat's g'sagt, hat er g'sagt.«
»Allmächdnah!«
»Ja!«
»Und?«
»Aber glau'm brauchst des net. Die is a alde Ratschn.«
»Wieso?«
»Die macht sich immer wichdig. Zu an jedn Dreck weiß die was und will dabei g'wesn sein. Ich glaub der ka Wort!«
»Hast recht. Die Gerda red't immer so viel, ich glaub der ah nichts.«
»Beim Schdock unten am Bahnhuf warn's immer, hat's g'sagt. Aber kannst vergessen.«
»Ich glaub der a nichts.«
»Immer muss's überall dabei sein und ihr'n Senf zugebn. Ihr Strass'n soll's lieber kehrn.«
»No!«
»Aber da dazu hat's ka Zeit.«
Und weiter zogen sie über die Nachbarschaft und über Gott und die Welt her.
Die Männer
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