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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
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hinein. Oder trank er erst, und dann lief die Platte los? Kroner hatte keine Ahnung, es war ihm eigentlich auch egal. Diese Gestalt nun saß auf der Bank im Bushäuschen. Und war vollgepisst. Dunkel und groß der Fleck im Schritt der Hose, glänzend nass die Stelle darunter am Boden. Zumindest noch nicht gekotzt, dachte Kroner und drehte das Fenster wieder hoch. Der Kerl stank bis hierher. Kroner sah die Straße hinauf, sein Blick wanderte durch den Eichenwald, ging zwischen den Bäumen hindurch und dann über den Rückspiegel nach hinten auf die Straße. Kein Auto, kein Mensch zu sehen. »Tja, das war dann wohl nichts. Den hat mir bestimmt einer weggeschnappt. Die lieben Kollegen … Blöd! Aber egal.« Kroner drehte das Fenster noch einmal herunter. »Hey!« Die Figur im Bushäuschen blickte auf. »War hier vorher jemand und hat gewartet? Boah Mann, du riechst ja vielleicht kernig!«
    »Am Arsch wichsen, am Aaaarsch wichsen!«, antwortete die Zwangsplatte, dann hielt sie kurz an, und der Mann deutete auf ein Kuvert am anderen Ende der Bank. »Das soll zur Polizei nach Nürnberg, das Geld ist mit dabei, am Aaaarsch wichsen am Aaaaaaarsch …«
    »Na dann bring's her«, versuchte es Kroner und wusste, dass er damit erfolglos bleiben würde.
    »Am Aaarsch wichsen, am Aaaaaaarsch wichsen, am …«
    Kroner hielt die Luft an, stieg aus und holte das Kuvert. Normaler Briefumschlag, DIN A5, weiß, ein Fünfzig-Euro-Schein mit einer Heftklammer an die Rückseite geheftet, und auf dem Kuvert stand: »Schnellstmöglich nach Nürnberg zur Polizei!!« Und klein darunter »Fahrtgeld anbei.«
    »Komischer Auftrag«, dachte sich Kroner, aber als Taxler wundert man sich nicht. Nicht mehr nach 20 Jahren. Er stieg in seinen Wagen, drehte die Fenster alle auf, Gott sei Dank geht das jetzt zentral, oh was für ein Gestank!, schaltete das Gebläse auf volle Leistung und fuhr los. 20 Minuten später lenkte er in Nürnberg vors Präsidium. Im Knoblauchsland hatte frischer Zwiebelschlotenduft über den Feldern gehangen. Das hatte ihm Appetit gemacht, und sein Brot lag wartend im Auto.
    »Sie stehen im Halteverbot!«, war das erste, was er dort zu hören bekam. Der Polizist hatte noch nicht einmal aufgeschaut.
    »Ja, Ihnen auch einen wunderschönen guten Morgen!«, gab Kroner in Richtung Glasscheibe zurück. »Entschuldigen Sie, dass ich keine Brötchen dabeihab. Aber Sie haben ja auch keinen Kaffee. Dafür hab ich was zum Lesen dabei. Post ohne Porto. Soll wichtig sein.« Und er wedelte mit dem Kuvert.
    »Legen Sie es dahin. Für wen?«
    Kroner sah sich demonstrativ und gespielt genervt um. »Bin ich hier beim Edeka? Ich würde sagen: Es ist früh kurz vor fünf, ich bring hier was her – könnte sein, dass es für die Polizei ist. Für die mit den grünen Mützen. Tatütata, Traritrara«. Damit legte er das Kuvert auf den Drehteller unter der Glasscheibe. Der Polizist grinste und drehte das Kuvert zu sich hinein.
    »Warten Sie einen Moment.«
    »Und das Halteverbot?«
    Der Polizist winkte ab. »Wir kriegen so selten Post …«
    Er besah sich das Kuvert, nahm den Hörer ab, klemmte ihn zwischen Schulter und Kinn. »Woher?«, fragte der Polizist und sagte dann in den Hörer: »Kommt mal einer von euch raus? Ich hab hier was.« Und wieder zum Taxler: »Das machen wir gleich, die Kollegen kommen.«
    Drei Minuten später war bei der Polizei die Hölle los. Drei oder vier Streifenwagen rückten aus, kurze Zeit später dann noch einmal zwei, es wurde telefoniert und telefoniert, und Kroner wurde nach hinten gewiesen.
    Maschinenkaffee, lauwarm schales Wasser aus Pappbechern, nein, sein Brot könne er jetzt nicht holen. Wo er das Kuvert herhabe, ob er direkt hierher gefahren sei, wann er das Kuvert übernommen habe, ob er sonst irgendetwas wisse, ob ihm etwas aufgefallen sei auf der Fahrt, irgendetwas vielleicht ungewöhnlich gewesen sei, wie sich das mit dem Penner zugetragen habe, ob der vielleicht noch da sei und dann wieder wo er das Kuvert herhabe. Alles drei- und viermal gefragt. Und aufgeschrieben. Und unterschrieben. Mit Durchschlag – gab es denn so etwas überhaupt noch? Kohlepapier, was für ein Wahnsinn. Hatte er als Kind zum letzten Mal in den Fingern! Den Geldschein musste er auch abgeben, aber wenigstens gegen Quittung. »Kann dauern, bis Sie den wieder zurückkriegen. Wenn überhaupt. Rechnen Sie mal lieber nicht damit. Möglicherweise, nein, ganz sicher Beweismaterial.«
    Zwei Stunden später durfte er wieder hinaus.
    An seiner

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