Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
Vom Netzwerk:
fotografierten, katalogisierten und verwahrten ihn, vor allem aus den Nahbereichen der Fundorte. Ein riesiges Sammelsurium kam dabei zustande. Tempotaschentücher, Flaschen, Kanister, Messer, Geldbeutel, zwei Ausweise, eine Schultasche, Mützen, ein Bikini, drei Fahrräder – jede Menge Zeug. Dann wurde das Gelände wieder freigegeben. Der Minenleger hatte sich nicht mehr gemeldet. Aber er hatte Nachrichten hinterlassen.

Was lange währt, wird endlich Wut.
Zufälliger Tippfehler
26. Kapitel
    Keine einzige der Minen war scharf gewesen, der Täter hatte sie nicht entsichert. Jede Mine hatte auf einem gefalteten Club-Trikot gelegen und war mit Ästen oder Laub bedeckt gewesen, ein paar auch nur mit Zeitungen. Sie konnten relativ leicht gefunden werden. Aber man musste Vorsicht walten lassen, vielleicht war das ja eine Falle. So hatte man wirklich jeden Quadratzentimeter des Bodens sorgfältig abgesucht.
    Die Trikots waren neu und trugen weder Namen noch Nummern. Standardware, überall zu kaufen. Nur der Name des Sponsors war aufgedruckt. Aber in jedem Trikot steckte eine Botschaft, versehen mit einer Nummer. Als Behütuns noch am Vormittag des Anschlags die erste Botschaft gebracht wurde, stutzte er. Sie machte ihn neugierig. Unter der Ziffer vier stand hier geschrieben:
    »Ich verlange die Veröffentlichung dieser Fakten und fordere eine öffentliche Diskussion!«
    Die nächste Botschaft, die ihm gebracht wurde, trug die Nummer acht:
    »Der Sponsor schafft Arbeitsplätze, und alle freuen sich. Er spendet für Hilfsprojekte, veranstaltet Fußballjugendturniere, engagiert sich für die Knochenmarkspende, organisiert Fan-Aktionen, unterstützt Kulturprojekte in der Region und vieles mehr.«
    Da schwante ihm schon vage, worauf es hinauslaufen könnte. Und nach der dritten Botschaft, die man ihm brachte, inzwischen war es Nachmittag, war Kommissar Behütuns sich sicher: Hier kämpft einer einen großen Kampf.
    Und langsam wird er eindeutig! Dann können wir ihn kriegen!
    Die Botschaft mit der Nummer 14 lautete:
    »Allein im Jahr 1995 wurde von dieser Aufbereitungsanlage mehr Krypton 85 in die Luft geblasen als durch alle Atombombenexplosionen der Welt insgesamt. Dieses Gas hat eine Halbwertszeit von zehn Jahren.«
    Mit den Stunden verdichtete sich die Aussage, und als man am darauffolgenden Nachmittag zum ersten Mal die Meldung gab, das Gebiet sei komplett durchsucht und minenfrei, lagen ihm alle Botschaften vor. Wie angekündigt 20 Stück, schön sauber nummeriert. Zu diesem Zeitpunkt aber war der Fall schon nicht mehr der Seine. München hatte sich eingemischt, der Staatsschutz war am Werk. Das war nun kein Fall mehr für so einen kleinen Polizisten aus der Provinz. Behütuns war jetzt draußen.
    Der Innenminister hatte mit seiner tiefen Stimme, die ihm als Einziges Gewicht verlieh, langsam und sehr bedächtig Interviews gegeben, in denen er nichts Sachdienliches sagte, nur eine sehr große, vage und doch konkrete Gefahr beschwor und von ersten Spuren faselte. Selbst der Staatsminister für Umwelt und Gesundheit hatte sich, nur weil er, wie der Innenminister, aus der Region kam, bemüßigt gefühlt, begleitet von seinem unvermeidbaren falschen Lächeln seinen Senf zu dem Fall dazuzugeben. Auch er sprach nur von Terror, bedrohter Ordnung und Gefahr. Ebenso von ersten, schon konkreten Hinweisen. Wie professionell und dankbar die Politik doch jedes Ereignis sofort für ihre Zwecke vereinnahmte und instrumentalisierte. Egal, womit man in die Presse kam, Hauptsache, man war drin.
    Bevor Behütuns aber das Büro verließ, las er die Botschaften noch einmal der Reihenfolge nach. Von eins bis 20 hingen sie in seinem Zimmer an der Wand. Es war ein Aufsatz, ein Pamphlet, zerstückelt in einzelne Sätze.
    Eins: Alle sind stolz und froh, dass der Club einen geldmächtigen Sponsor aus der Region hat – einen, der über mehrere Jahre zahlt und Planungsfreiheit gewährt.
    Zwei: Leider werden bei diesem Engagement ein paar Fakten nicht erwähnt, ja geradezu totgeschwiegen. Von allen.
    Drei: Diese Fakten haben eine größere Sprengkraft als meine jämmerlichen Minen. Sie explodieren nicht nur einmal, sondern täglich, bis zu 200000 Jahre lang. Und das nicht nur an einem Ort, sondern flächendeckend.
    Vier Ich verlange die Veröffentlichung dieser Fakten und fordere eine öffentliche Diskussion!
    Fünf: Fans und Verantwortliche! Fußball ist viel, aber nicht alles. Er darf nicht für ein Unternehmen spielen, das uns und unsere Welt auf

Weitere Kostenlose Bücher